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Image und Status des Flößers
Aus dem 14. Jahrhundert stammt ein Eintrag im Seelbuch der
Stiftskirche zu Neustadt, der mit großer Wahrscheinlichkeit einen Flößer
nennt: "Obierunt Henricus dictus flotzer et Dyna uxor sua
legittima, qui legaverunt V solidos hallensium..." (155) Ein heinrich und
seine Ehefrau dyna starben und
stifteten für ihr Seelenheil und das ihrer Kinder und ihrer Erben/Nachkommen
eine beträchtliche Summe an das Stift, wofür sie eine Sicherheit auf ein Haus
und eine Wohnstätte eintragen ließen. Heinrich wurde Flößer genannt, dies
läßt vermuten, daß er diese Tätigkeit auch ausgeübt hat. In dieser Zeit
waren Berufsbezeichnungen, Spitznamen und Familiennamen im heutigen Sinne
freilich noch fließend. Bemerkenswert ist auch der Geldbetrag, der auf vermögende
Leute schließen läßt, denn Flößer waren auch in späteren Zeiten meist
wohlhabende Menschen, freilich nicht deren Untergebene, die Floßknechte. Dieser heinrich oder
"Henne flotzer" besaß in der Vorstadt von Neustadt ("in suburbio")
ein Haus in der Bischofsgasse, die es heute noch gibt. Das Haus scheint so
bemerkenswert gewesen zu sein, daß es als Ortsangabe in mehreren
Stiftungseintragungen erwähnt wird. (156) Henne (Verkürzung für Henricus =
Heinrich, auch für Johann) flotzer muß schon wegen der häufigen Nennungen ein
bedeutender Mann gewesen sein. In der Sulzwiese besaß er einen Wingert (Nr. 195
fol 26 r) (157) Einen weiteren Wingert besaß er "im Erlesing am Weg, auf
dem man nach Hambach geht, beim Bächlein ... (Nr. 67, fol 10 r). (= 1/2 iugere
vinearum sito in loco dicto erlesing in via, qua itur versis Haumbach apud
rivulum") Im Testament des 1380 verstorbenen Stiftskanonikers gerhard
von Dalheim wird auch "Cleisel, Sohn des Gotzo flotzers"
angeführt, der in der Neustadter Stephansgasse (heute Mittelgasse) ein Haus
besaß (Nr. 139 fol 18 v). (158) Der Flößer gotzo erscheint
noch einmal in einer weiteren Stiftung, und zwar zahlt er 2 Unzen Pfennige für
eine Wochenmesse, die sygolo groß gestiftet
hat Allein schon die altertümliche Währung weist auf das hohe Alter hin, so
daß gotzo wohl in die erste
Hälfte des 14. Jahrhunderts anzusetzen ist (fol 72 v Nr. 608). (159) Das Neustadter Seelbuch enthält somit einige Namen von
Flößern, deren Besitzungen in der Vorstadt liegen, nahe am Speyerbach, den sie
zum Transport des wichtigen Brenn- und Bauholzes benutzten. Wir können uns heute nur sehr schwer ein Bild vom Ansehen
des Flößers in der damaligen Gesellschaft machen. Bedauerlicherweise gibt es
kein Bildmaterial über das Aussehen, über eine mögliche Tracht oder
Berufskleidung. Es fehlen biographische Notizen über Flößer, obwohl bekannt
ist, daß Dörfer im 19. Jahrhundert als Flößerdörfer galten: Hofstätten,
Iggelbach, Elmstein, Weidenthal, Frankenstein, Lambrecht. Neidenfels,
Waldleiningen, selbst Haßloch, wie uns der Lehrer heinrich
lützel mitteilt, um nur einige zu nennen. In anderen Regionen gibt es
diese biographischen Hinweise, das Bildmaterial, die Fotos, die literarischen
Verarbeitungen. Freilich ist dabei meist der Flößer im eigentlichen Sinn
gemeint, der gebundene Flöße steuert. Schwarzwald, Alpenbereich, Frankenwald,
Thüringer Wald sind solche Landschaften, in denen das Andenken an die
Flößerei in Museen für die Nachwelt bewahrt wird, freilich auch erst seit
jüngster Zeit. Aufschlußreich ist eine Darstellung des Flößers und der
Flößerei aus einem Werk, das 1858 in Zweibrücken erschien, zu einem Zeitpunkt
also, als die Flößerei schon ihren Höhepunkt überschritten hatte: "Fährt man auf der Eisenbahn wie im Fluge dahin und
sieht, besonders in der Waldregion, eine kleine Legion Flößer, diese derben
Gesellen und sprichwörtlich gewordenen Repräsentanten der Rustizität, mit
ihren Stangen und Haken, dem ersten Rudiment des Hebels der Mechanik öfters
tief unter der Bahn sich abmühen, um eine auf den Floßbächen in Stockung
gerathene Holzmasse in Fluß zu bringen, so kann man sich eines Lächelns kaum
erwehren und möchte fast glauben, sie seyen nur deshalb unmittelbar in
Berührung mit einander getreten, damit die Flößerei in ihrem trägen
Fortgang, in ihrer Ärmlichkeit und Nothdürftigkeit als Folie der Eisenbahn,
dieser höchsten Kulturlinie der Neuzeit, diene, um die Macht und Kraft des
Dampfes im vollsten Lichte zu zeigen und so ihre Triumphe zu feiern." (160) Es ist die Sicht eines Gegners der Flößerei, die Sicht
eines Technikers, der von überlegener Warte aus auf eine veraltete, vom
Fortschritt überholte, überlebte Transportinstitution herabsieht. So wie
heute ein Flugreisender auf Autos, die sich auf der Autobahn fortbewegen, oder
auf eine Eisenbahn von großer Höhe herabblickt, und dies im wörtlichen Sinn. Wir können diese Sicht noch heute nachvollziehen, wenn wir
etwa mit der Eisenbahn die Strecke Neustadt-Kaiserslautern befahren und vom
hohen Damm auf den Floßbach Speyerbach oder Hochspeyerbach herabblicken und uns
vorstellen, da unten hantierten Menschen mit langen Stangen an schwimmendem Holz
herum, das sich verhakt hätte. Aufschlußreich ist das Oben und Unten der
Sicht, "öfters tief unter der Bahn", ebenso erhellend der Vergleich
der Geschwindigkeiten, "träger Fortgang" beim Triften und die Fahrt
"auf der Eisenbahn wie im Fluge". Denn die Vorstellung, daß die
Eisenbahn durch die Geschwindigkeit, mit der sie sich vorwärtsbewege, das
Raum-Zeit-Gefüge verändert habe, ist nach 1840 allmählich allgemeines
Gedankengut geworden. (161) 1847 dauerte eine Fahrt Neustadt-Haßloch 17 Minuten, nach
Speyer über Schifferstadt 56 Minuten, (162) ab 1855 auf der Maximiliansbahn
erreichte man Weißenburg von Neustadt mit dem Schnellzug in 72 Minuten, Landau
in 17. Für heutige Reisende muten diese Angaben freilich nicht "wie im
Fluge" an. Nicht weniger überlegen werden die Flößer und ihre
Tätigkeit beurteilt. Die Ausdrucksweise "diese derben Gesellen"
klingt damals wie heute nicht gerade höflich. Flößer gelten als
"derb", sie werden als "sprichwörtlich gewordene Repräsentanten
der Rustizität" angesehen, was soviel heißt, sie vertreten ein
"plumpes, derbes Wesen" (163) Ihrer Tätigkeit, der Flößerei, haftet
etwas Rührend-altmodisches an, das zum Lächeln nötigt. Die "Aermlichkeit
und Nothdürftigkeit" wirkt neben der modernen Technik, die die Eisenbahn
verkörpert, um so krasser. Offenbar muß diese Sicht weit verbreitet gewesen sein, was
sich in den Redewendungen, die das Pfälzische Wörterbuch verzeichnet,
widerspiegelt. Floozer kann neben der Berufsbezeichnung auch einen groben,
ungehobelten Menschen bezeichnen, der sich gefallen lassen muß, daß man zu ihm
sagt: "Fleetz dich nit so dohin!" Ein "Flozer-Gesicht" kann
in so einem Fall auch ein 'Roheit ausdrückendes Gesicht' bedeuten, in anderen
Wendungen kann auch ein 'unbeholfener Mensch' Flozer genannt werden. (164) In einem leider undatierten und anonymen Zeitungsartikel
behauptet der Verfasser, "im Jahre 1820, als Speyer Kreishauptstadt wurde,
schritten in dem Festzuge stolz und selbstbewußt Triftmeister und Flößer als
eigene Zunft durch die Straßen". (165) Etwas zweifelhaft an dieser Nachricht ist, daß
Triftmeister erst 1822 erscheinen. (166) Denkbar wäre, daß im Speyerer Festzug
Flößer vom Rhein mitgingen. Erfreulich wäre, wenn von diesem Zug Bebilderungen
existierten. Es sind aus Bayern und Württemberg Bilder bekannt, auf denen
Flößer bei Festzügen vor den jeweiligen Monarchen erscheinen. Während im Frankenwald auch die einfachen Flößer oftmals
ein besseres Auskommen hatten als die Bauern, vermitteln die Reisenden und
Pfälzerwaldwanderer des 19. Jahrhunderts wie z.B. august becker für die hiesigen Flößer ein wesentlich
ungünstigeres Bild. (167) Die einfachen Floß- und Triftknechte haben sicherlich in
der Realität den Vorstellungen von derben, kräftigen Wäldlern entsprochen,
denn es waren ja pfälzische Waldbauern, Holzfäller und Waldarbeiter, aus denen
sich die Personengruppe rekrutierte, die das Flößen als Saisongewerbe neben
ihrer für den Rest des Jahres üblichen Tätigkeit zwischen September und April
betrieb. Solange die Flößerei als staatliche Aufgabe betrachtet
wurde, waren Beamten damit beschäftigt. Für die leitenden Triftbeamten gilt,
daß sie erst im Laufe der Zeit hinsichtlich ihrer Besoldung und somit ihrer
Einschätzung einem Forstmeister angepaßt wurden. Der Triftmeister entsprach
dann dem Revierförster. Ob sich die Uniform der Triftbeamten von denen der
übrigen Förster unterschied, ist unbekannt.
85. Mit der Eisenbahn kam nicht nur ein neues
revolutionäres Transportmittel, sie brachte auch erstmals tiefgreifende
Erfahrungen der Menschen im Umgang mit der Maschine. Die Trift, die Holzkohlegewinnung und Eisenverhüttung im
Pfälzerwald waren die ersten sichtbaren Zeichen einer breit angelegten,
industriell-gewerblichen Nutzung der vorhandenen Ressourcen des Pfälzerwaldes,
wie sie zu Beginn des 19. Jahrhunderts in ausgeprägter Form auftrat. Die
konsequente Weiterführung dieser Entwicklung hätte unweigerlich zu einer
Zerstörung der natürlichen Grundlagen des Pfälzerwaldes geführt. War bis
dahin der Wald ausreichend zur materiellen und immateriellen Versorgung unserer
Vorväter, (170) so begann mit dem Aufflackern des industriellen Feuers zugleich
ein gegenläufiger Prozeß. Der Wald wurde hinsichtlich seiner materiellen
Nutzung zusehends entbehrlicher, was sicherlich zu seinem "Überleben"
beigetragen hat. Was sich heute immer mehr abzeichnet und seine Bestimmung in
der Zukunft sein wird, ist seine Funktion als "Naturwald". Die
natürlichen Ressourcen und die Wohlfahrtswirkung des Pfälzerwaldes sind für
die Menschen von existentieller Bedeutung: Wir brauchen seine Bäume, sein
Wasser und seine Luft zum Leben. Geben wir weiter, was wir von unseren Enkeln
geborgt haben! Gerd Norbert Meyer, "FLÖßEREI UND TRIFTWESEN IN DER PFALZ", innerhalb des Buches "Altes Handwerk und Gewerbe in der Pfalz, Pfälzerwald", Waldbauern, Waldarbeiter, Waldprodukten- und Holzwarenhandel, Waldindustrie und Holztransport von Helmut Seebach (Herausgeber) erschienen. © bachstelz-verlag helmut seebach Verlagsbuchhandel für Pfalzliteratur Annweiler-Queichhambach 1994, ISBN 3-924115-13-3, Veröffentlichung innerhalb dieser Diplomarbeit mit Genehmigung des Autors und des Herausgebers vom 13.11.2000 |
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