5- Triftwesen und Waldbau
               
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T. Schmehrer: Geografische und historische Perspektiven des Kulturlandschaftswandel am Beispiel des Triftwesens in der Bayerischen Pfalz 1816-1860, Mitteilungen der Landesforstverwaltung Rheinland-Pfalz, Nr. 15/1998


TRIFTWESEN UND WALDBAU ALS KORRELIERENDE GESTALTUNGSELEMENTE DER KULTURLANDSCHAFT

In Kapitel vier wurde dargelegt, in welch erheblichem Maße die Bedürfnisse der Bevölkerung im Bereich der Pfalz die forstpolitischen Entscheidungen hinsichtlich des Produktionszieles beeinflußten.

Diese Interdependenz zwischen gesellschaftlicher Bedürfnisbefriedigung, dem Entschluß zum Handeln und schließlich der instrumentellen Umsetzung ließen das Triftwesen und den Waldbau zu wirksamen Gestaltungselementen der historischen Kulturlandschaft Wald werden. Im folgenden sollen die durch die anthropogenen Einflüsse hervorgerufenen, direkten und indirekten Auswirkungen auf das heutige Kulturlandschaftsgefüge dargestellt werden.

5.1    Indirekte Einflußnahme

5.1.1   Das Triftwesen als Instrument der bayerischen Forstpolitik -Freiräume für einen geordneten Waldaufbau?

Eine der wichtigsten und ersten Maßnahmen der neuen Forstverwaltung Bayerns war die Zugänglichmachung der Waldungen. Durch den seit 1816 schnell vorangetriebenen Ausbau des Triftwesens und des Wegenetzes konnte schon bald eine "rasche Erweiterung des forstlichen Wirtschaftsgebietes" konstatiert werden.

Das bedeutete, daß diejenigen Waldbestände, die aufgrund ihrer Unzugänglichkeit für eine intensive Nutzung bisher kaum in Betracht kamen, von nun an in die Nutzungs- und Betriebspläne der Forstverwaltung mit einbezogen werden konnten. Die, über lange Zeiträume hinweg, wenig genutzten Waldbereiche wiesen in der Regel einen Bestand auf, der durch eine Überalterung gekennzeichnet war. Eine Verjüngung dieser Bestände stellte daher für die Folgezeit das vorrangige waldbauliche Ziel dar (s.o.).

Andererseits wiesen die seit dem 18. Jahrhundert nahe der Triftbäche gelegenen Waldbereiche teilweise einen haubaren Bestand auf, eine Folge der profitorientierten Anpflanzung der ehemaligen herrschaftlichen Waldbesitzer. Für diese Bestände stellte sich das Problem der Einbindung in die neuen Nutzungspläne.

Durch die Rekrutierung der dringend benötigten Hölzer aus den tiefer gelegenen Waldungen, mußte die bayerische Forstverwaltung die, in Richtung der dicht besiedelten Rheinebene gelegenen, Wälder des Haardtrandes nicht mehr in erster Linie der Bevölkerung zur Deckung ihres Holzbedarfs überlassen. Die Bestände konnten in einen geregelten Nutzungsgang einbezogen werden und sich auf diese Weise allmählich erholen.

Dieser Befund kann mit Sicherheit jedoch nur für die Periode von 1820 bis 1830 in vollem Umfange festgestellt werden. Denn mit Beginn der 30er Jahre erhöhten sich die Rückgriffe der Bevölkerung auf die Vor­derwaldungen wieder erheblich. Grund hierfür war die Verschlechterung der sozialen Bedingungen. Die bayerische Regierung war kaum noch in der Lage, "die Befriedigung des ganzen Brennholzbedarfs sämmtlicher Einwohner der Landschaften in der östlichen Pfalz, aus den König!. Holzhöfen" zu gewährleisten, "weil die betriftbaren Holzvorräthe aus König}. Holzhöfen bei weitem dazu nicht hinreichen ... [und] ...der Zudrang der Holzconsumenten aller Klassen zu den Holzhöfen bisher so stark gewesen ist, aas die Vorräthe schon vor dem Eintritte des Winters vergriffen und die wohlthätigen Zwecke der Holzhofsanstalten dabei gefährdet würden."

Insbesondere die kleinen Gemeinden der dicht bevölkerten Rheinebene waren durch diese dramatische Holzverknappung betroffen. So baten im Januar 1841 beispielsweise die beiden vorderpfälzischen Gemeinden Maikammer und Alsterweiler das Königliche Triftamt um Erlaubnis, ihren Holzbedarf aus dem, ihren Gemeinden näher gelegenen. Holzhof Neustadt zu decken. Als Gründe für diese Bitte geben sie an, "daß die Einwohner fraglicher Gemeinde [Alsterweiler] aus Mangel an Holz auf dem Aerial Holzhof in Landau und theils wegen der bedeutenden Transport Kosten die ihnen dieser 3 Stunden von ihrem Wohnort entlegenen Holzhof besonders der mittleren Klasse verursacht öfters noth gedrungen sind sich Holz im Weg des Frevel zu verschaffen."

In dem Gesuch der beiden Gemeinden findet sich auch ein anderer interessanter Aspekt. Die Beschreibung der durch "unbeschränkte Benutzung der Waldstreu verbunden mit bedeutendem Frevel" in erheblichem Maße devastierten Vorderwaldungen folgt die Bitte, die streuergiebigen Bestände der 'Hinterwaldungen' zu erhalten, "und den Betrieb derselben womöglich so lange hinaus zu schieben, bis die dermaligen Oedungen und Krüppelbestände bestellt sind." Hieraus ist zu ersehen, daß sich die fortschreitende Intensivierung der Bewirtschaftung langsam auf die bisher übernutzten Bereiche vorschob und mit den bisherigen, insbesondere von der Bevölkerung ausgeübten Nutzungsformen kollidierte. Die Möglichkeit, sich trotz der desolaten Holzversorgungslage noch der angestrebten Kulturaufgabe zu widmen, ist sicherlich teilweise durch die in dieser Hinsicht entlastende Funktion des Triftwesens bereitgestellt worden. Das Triftwesen ermöglichte es der Forstverwaltung demnach, stark genutzte Waldgebiete aus der übermäßigen Beanspruchung herauszunehmen und diese wieder in eine geregelte Waldwirtschaft zurückzuführen. Ohne diesen Ausbau des Triftwesens wären die Bevölkerung und die einzelnen Gewerbe genötigt gewesen, ausschließlich auf die schon überanspruchten Waldungen zurückzugreifen.

Die Holztrift verschaffte somit der bayerischen Verwaltung Freiräume für einen geordneten Waldaufbau, der eine gravierende Umgestaltung der historischen Kulturlandschaft implizierte. Dieser Stimulus, der von der Wirtschaft, i.e. die kleineren Gewerbe, und den elementaren Bedürfnissen der Bevölkerung auf die Forstbehörden einwirkte, veranlaßte diese, nicht nur das Triftgebiet zur Erschließung noch relativ ungenutzter Waldungen weiter auszubauen, sondern gerade auch bisher übernutzte Waldgebiete wieder in eine geregelte Nutzung mit einzubeziehen.

Die bayerische Regierung war hierbei wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und politischen Zwängen ausgesetzt. Die Wohlfahrt des Staates war dabei vordringlichstes Ziel. Soziale Unruhen, die aus einer mangelnden Versorgung bzw. einer schlechten wirtschaftlichen Lage heraus resultieren konnten, mußten in jedem Fall vermieden werden. Die instrumentelle Umsetzung dieser politischen Ziele lag zu einem gewissen Teil sicherlich auch im Ausbau des Triftwesens begründet.

Wie hoch der Stellenwert der Trift einzuschätzen ist, zeigt sich z.B. in den Aussagen der Kreisforstinspektoren Martin und Stadtmüller in ihrer "Forstlich-charakteristische[n] Skizze der Waldungen auf dem bunten Sandsteingebirge der Pfalz [...]"aus dem Jahre 1845:

"Diese Anstalten erlangten im Laufe der Zeit durch Benutzung aller Ne­benbäche und Quellen, durch die Erbauung zahlreicher und regelmäßig mit Quadern ausgeführten Wasserwooge und Wehre, [...] durch die Errichtung von Holzhöfen in Albersweiler, Landau, Neustadt, Speyer, Mutterstadt und Frankenthal, eine sehr vollständige Entwicklung und für das Land eine sehr große, höchstwohltätige Bedeutung."

Da diese Illustration der pfälzischen Flößerei von zwei bekannten Forstleuten unternommen wurde, kann vermutet werden, daß die "höchst wohltätige Bedeutung" der Trift sich nicht nur auf die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Folgen beschränkte, sondern mit Sicherheit auch die Auswirkungen auf die Wälder mit einbezog. Denn die ersten Ergebnisse der waldbaulichen Tätigkeit der bayerischen Forstverwaltung waren durch die seit 1816 neu angelegten Kulturen bereits nach wenigen Jahrzehnten deutlich sichtbar geworden. Diese, durch den indi­rekten Einfluß der Trift hervorgerufene, Veränderung der Kulturlandschaft dürfte daher auf die beiden Forstinspektoren nicht ohne Wirkung geblieben sein.

5.1.2  Die Auswirkungen - Wald als dynamisches Kulturlandschaftselement

Vergleicht man die Verteilung des Bevölkerungswachstums mit der von Eduard Ney vorgelegten Karte über die durchschnittlichen Hektarholzerträge der Reviere des Pfälzerwaldes, so kann ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen Bevölkerungsdichte und niedrigen Holzerträgen festgestellt werden. Vom Zentrum des Mittleren Pfälzerwaldes ausgehend, nehmen die Hektarerträge in Richtung der Ränder immer mehr ab. Insbesondere gegen Osten, d.h. im Bereich der stark bevölkerten Rheinebene, sind die holzärmsten Gebiete zu finden.

Anhand dieser Karte zeigt sich die Interdependenz zwischen Raum und Bevölkerung. Die Bevölkerungsentwicklung in der bayerischen Pfalz kann in dieser Hinsicht als Schlüssel zum Verständnis des Zustandes der historischen Kulturlandschaften und ihres Wandels verstanden werden.

Die Veränderung der historischen Kulturlandschaft vollzog sich in erster Linie auf dem Gebiet der Wiederherstellung der devastierten pfälzischen Waldungen. Viele dieser, durch die dauerhafte Waldstreuentnahme öden, Flächen und insbesondere die nicht mehr aus schlagfähigen Niederwal­dungen wurden im Sinne der waldbaulichen Leitsätze (s.o.) nach einem zuvor durchgeführten Kahlschlag durch Pflanzungen in reine Kiefernbestände umgewandelt.

In der Forstrevierskarte von Hardenburg aus dem Jahre 1837 ist diese Tendenz deutlich zu erkennen. Die nahe der Rheinebene gelegenen Walddistrikte waren jahrhundertelang einer starken Nutzung ausgesetzt. Die mittlerweile kargen Waldböden ließen daher eine Laubholzbestockung nur noch bedingt zu. Nach den waldbaulichen Grundsät­zen erfolgte hier deshalb sukzessive eine Aufforstung mit Kiefern und einzelnen Buchen-Beimischungen. Die Altersklassenverteilung zeigt, daß bereits mit der Übernahme der neuen Forstregierung die ersten Kiefern -und Buchenpflanzungen vorgenommen wurden. Trotz dieser recht frühen Aufforstung ist noch um 1837 ein relativ hoher Anteil der 'Bloesen' zu verzeichnen. Bis heute setzen sich diese Waldungen überwiegend aus Kiefern und Buchen zusammen.

Aber nicht nur die natürlichen Voraussetzungen waren für die Standortwahl ausschlaggebend. So ließ etwa die neu einsetzende Belebung der Wirtschaft und des Verkehrs den Holzhandel wieder lohnend werden. Insbesondere stieg die Nachfrage der "Hammerwerke nach Kiefernholz und der Schmelzöfen nach Birkenholz." Auch die Landwirtschaft und hier speziell der Weinbau "benötigten Nutzholz zur Herstellung von Wagen, Verpackungsmaterial, Kisten, Fässern und anderen Behältnissen aus Holz." Die Forstverwaltung reagierte auf diese gesteigerte Nachfrage mit der vermehrten Anpflanzung der benötigten Holzarten.

Die starke Vermehrung, beispielsweise der Kiefer in den Misch- und Reinbeständen zu Beginn des 19. Jahrhunderts, lag also auch im allgemeinen Wirtschaftswandel begründet, der einen vermehrten Bedarf an Nutz- und Starkholz nach sich zog, auch wenn im 19. Jahrhundert in der Pfalz der Brennholzanteil den Nutzholzanteil bei weitem überwog. Der Bedarf an Nutzholz konnte durch die schnellwüchsige und auch auf schlechteren Böden gedeihende Kiefer, deren Holz sich zudem für viele gewerbliche und industrielle Zwecke eignete, leichter gedeckt werden als durch Laubhölzer.

In den tiefer gelegenen, weniger angegriffenen Waldgebieten zeichnete sich eine natürliche und künstliche Verjüngung der teilweise überalterten Bestände ab. Diese Verjüngungsmaßnahmen setzten schon zu Beginn der 1820er Jahre ein. Im Lokalvisitationsprotokoll von 1822 für das Forstamt Elmstein wurde für die im Revier Johanniskreuz liegenden Bestände bemerkt, daß "die Waldungen, aus welchen dieses Revier gegenwaertig zusammengestzt ist, [...] in Hinsicht ihres Alters von der auffallendsten Verschiedenheit [und] durchaus mit alten, überstaendigen [überalterten] Eichen unterstanden, von denen die meisten nicht den Ablauf des ersten Turnus aushallen. " Zur "zweckmäßigen Verbesserung" dieser Mißstände wurde in diesem Falle vorgeschlagen, "von den alten Eichen [...] die abständigen wo es ohne merklichen Nachtheil geschehen kann, auszuziehen, die haubaren Buchen von den verdaemmenden Aesten zu befreyen, und sodann waere das Ganze der Natur zu überlassen." Die hier vorgenommenen Auszugshauungen dienten also der auch später noch geübten Maßnahme der Angleichung der Bestände (Altersklassenwald). Die in den Wirtschaftsregeln proklamierte Durchmischung der Bestände, sowohl nach Baumarten als auch nach Altersklassen, ist in der Praxis nur in Ansätzen verwirklicht worden. Schon die 1847 vorgelegte Baumartenver­teilung für den Pfälzerwald läßt deutlich die vermehrte Kultivierung von reinen Beständen erkennen. Die Dominanz der reinen Kiefernbestände tritt hierbei besonders hervor.

Der   Altersklassenverteilung   in   den   Revieren   Johanneskreuz (Johanniskreuz) und Hofstetten (Hofstätten) von 1853 nach zu urteilen, ist die flächenhafte Durchmischung von Laub­und Nadelhölzern ebenfalls nur wenig ausgeprägt. Noch immer überwiegen die Laubholzbestände, wobei besonders im Revier Johanniskreuz eine breit angelegte Verjüngung des Eichenbestandes festzustellen ist (Distrikt XXXIX Speyerbrunnereck, dunkelgrüne Kennzeichnung für Bestand erster Klasse, i.e. Alter bis 20 Jahre).

Die Aussage der Karte deckt sich in dieser Hinsicht mit der Beschreibung der am 25. Juni 1861 durchgeführten Lokalvisitation. Im Bericht über die Visitation des Forstamtes Elmstein ist unter dem Distrikt XXXIX Speyerbrunnereck folgende Angabe zu finden: "15jähr. Buchen-und Eichenverjüngung mit 160 Reserv-Eichen. Die Schlaglücken sind mit Fichten angepflanzt."

Es zeigt sich, daß man in den tiefer gelegenen Waldgebieten bei der Kultivierung fast ausschließlich nach waldbaulichen Leitsätzen verführ. Die in diesen ertragreichen Waldungen beginnende Tendenz der Intensivierung der Bewirtschaftung sollte sich in der Folgezeit auch auf die anderen Waldbereiche ausdehnen.

Zusammenfassend läßt sich sagen, daß die in der bayerischen Pfalz in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts geübten waldbaulichen Tätigkeiten, gefördert durch die Freiräume schaffende Funktion des Triftwesens, die Voraussetzungen für die Waldentwicklung des 20. Jahrhunderts schufen. Die Zusammensetzung und Verteilung der Baumarten, wie sie heute vorzufinden sind beruhen dabei, neben dem natürlichen Vorkommen, im wesentlichen auf der in der bayerischen Zeit begonnenen bzw. weitergeführten Gestaltung der historischen Kulturlandschaft Wald. Ein Vergleich der Diagramme von 1847 und 1980  zeigt, daß im Verlauf von über 130 Jahren hinsichtlich der Baumartenver­teilung kaum nennenswerte Veränderungen aufgetreten sind. Es zeigt sich, daß die waldbaulichen Grundsätze aus der Mitte des 19. Jahrhunderts noch für längere Zeit Bestand hatten, auch wenn durch die Industrialisierung neue Anforderungen an den Wald herangetragen wurden. Hinzu kommt die relativ lange Wachstumsdauer bis zum jeweiligen Umtriebsalter, so daß eine um die Mitte des 19. Jahrhunderts erfolgte Kultivierung einen noch heute vorhandenen und nutzbaren Waldbestand durchaus prägen kann.

In diesem Sinne kommt der von Schmithüsen geprägte Ausdruck des 'geistigen Gehalts einer Kulturlandschaft' voll zum Tragen. Die durch forstliche Maßnahmen konservierten Waldbilder vermitteln somit einen Eindruck über die Ansprüche, Ideen und das Agieren des histori­schen Menschen. Wichtig ist hierbei, daß der einzelne Baum oder der Bestand auf Dauer in seinem ehemaligen Gepräge nicht zu erhalten ist, er darum auch kein persistentes Relikt in der Kulturlandschaft darstellen kann. Selbst in einer anthropogen überprägten Form ist, auf einen länge­ren Zeitraum gesehen, seine Erhaltung nicht möglich. Die Reste alter Wälder (hier sind nur die Bäume selbst gemeint) sind unter diesen Aspekten als dynamische Kulturlandschaftsrelikte zu bezeichnen.

5.2    Direkte Einflußnahme

5. 2. l Triftanlagen als persistente Kulturlandschaftselemente

Das Triftwesen übte nicht nur einen indirekten Einfluß auf die Kultur­landschaft aus. Die vielen zum Ausbau notwendigen Baumaßnahmen riefen selbst einen Wandel der historischen Umwelt hervor. So wurden z.B. viele der Fluß- und Bachläufe begradigt und kanalisiert. Des weite­ren verbreiterte man die Sohle der engen Kerbtäler und nivellierte das Gefälle. Die Anlage von Stauteichen, der Bau von Brücken und Zu­fahrtswegen und die Einrichtung von Holzabladeplätzen gingen mit diesem Ausbau des Triftwesens einher.

Nach dem Niedergang des Triftwesens und dessen endgültiger Einstellung zu Beginn unseres Jahrhunderts gerieten die Anlagen recht schnell in Vergessenheit und verfielen zusehends. Einige Wooge wurden in der Folgezeit als Fischteiche weiter benutzt, viele andere, besonders die­jenigen in den abgelegenen kleinen Seitentälern, verlandeten. Die Stauwehre wurden hingegen noch bis gegen Ende des Zweiten Weltkrieges zur Wiesenbewässerung genutzt.

Eine Bestandsaufnahme der noch vorhandenen Relikte dieser Transporteinrichtung zeigt, daß diese im Wandlungsprozeß übriggebliebenen Anlagen trotz neuer Ansprüche ihre Form weitgehend beibehalten haben. Sie sind somit zum persistenten Element der Kulturlandschaft Pfälzerwald geworden.

Das augenfälligste und zugleich eindrucksvollste Kennzeichen dieser Kulturlandsehaftsrelikte sind zunächst die heute größtenteils vorhandenen Triftanlagen selbst. Im dargestellten Kontext sind sie der offensicht­lichste Ausdruck einer Veränderung der historischen Umwelt.

Den wohl gravierendsten und hinsichtlich der Immanenz der Kulturlandschaft weitreichendsten Eingriff in die historische Umwelt stellen jedoch die vielen vorgenommenen Fluß- und Bachlaufbegradigungen dar. Die bei den Begradigungen, Durchstichen, Talerweiterungen und Wallauf­schüttungen vorgenommenen Erdarbeiten sind nur zu erahnen. Einen plastischen Eindruck dieser Arbeiten vermitteln uns die unzähligen Ver­fügungen, Beschlüsse, Rechnungen und Baupläne aus dieser Zeit. So wurde beispielsweise schon 1819 verfügt, daß es "bei der Einrichtung des Speyerbach zur Flößerey [nötig ist], daß zwischen Winzingen und [der Gemeinde] Speyerbach, der Bach in mehreren Orten durchstochen und gradgerichtet wird, weil er vielfältig 3-400 Meter Umweg macht, um nur 30-35 Meter weiter zu kommen. " Dieses Beispiel belegt eindrucksvoll, in welch erheblichem Maße die historische Umwelt durch die menschlichen Bedürfhisse verändert und umgestaltet worden ist.

5.2.2  Die Auswirkungen - ökologische Folgen?

Die Auswirkungen auf das natürliche Gefüge, sowohl der historischen als auch der gegenwärtigen Umwelt, sind aufgrund der fehlenden Untersuchungen nur zu vermuten. In dieser Hinsicht ist auf die Zusammenarbeit mit den Wissenschaften Geologie, Biologie und Klimatologie zu verweisen.

Möglich wäre ein, durch die Begradigung und Kanalisierung der Bäche hervorgerufener, schnellerer Abfluß des Wassers, der eine erhöhte Erosionstätigkeit und eine Herabsetzung des Grundwasserspiegel impliziert. Die längerfristigen Auswirkungen auf das ökologische Gleichgewicht des Waldes sind in jedem Fall gravierend.

5.2.3   Die Frage der Inwertsetzung

"Da sie einen wesentlichen Teil des Reizes unseres Pfälzerwaldes ausmachen, sollten sie so gepflegt werden, daß sie weiter erzählen können von einem der wichtigsten ausgestorbenen Berufe im großen Wald: dem der Flößer."

Diese recht emotional und heimatverbunden erscheinende Aussage von Gerd Meyer spricht eine Problematik an, die in den letzten Jahren verstärkt Eingang in die angewandte Historische Geographie gefunden hat. Es handelt sich um die Frage der bewußten Erhaltung und Pflege persistenter kulturlandschaftlicher Relikte durch Naturschutz, Landes- und Denkmalpflege. Eine allgemeine Rückbesinnung der Öffentlichkeit "auf das Historische" hat auch auf höherer staatlicher Ebene dazu geführt, daß die Kulturlandschaft als ein räumliches Ganzes betrachtet wird. Kulturlandschaftliche Relikte und Elemente werden daher nicht mehr isoliert betrachtet, "sondern in den landschaftlichen Kontext gestellt." In einigen Länderverfassungen ist dieser neue Gedanke bereits aufgenommen worden.

Die Bestandsaufnahme dieser Kulturlandschaftselemente soll dabei von der angewandten Historischen Geographie geleistet werden, da diese in der Lage ist, "durch die Verbindung raum-zeitlicher Aspekte [...], persistente Elemente und Strukturen in ihrem historisch-geographischen Kontext zu analysieren und ihre Entwicklung bis in die Gegenwart aufzuzeigen."

Nach der Ermittlung eines möglichen Potentials, der Erfassung (Kartierung) und Dokumentation, sollen diese Relikte und Elemente dann in enger Zusammenarbeit mit den raumplanerischen Stellen geschützt und in eine "gestaltende Erhaltung" überführt werden. 'Gestaltende Erhaltung' bedeutet hier eine Inwertsetzung der Kulturlandschaftsrelikte durch eine dauerhafte Sicherung, Ausgestaltung und eventuelle Reakti­vierung der Relikte.

Ingo Eberle hat im Hinblick auf die Triftanlagen des Pfälzerwaldes 1993 ein Konzept vorgelegt, das diese Technikdenkmäler im Rahmen eines Kulturlandschaftsmuseums/Milieumuseums einbezogen sehen will. Ein erster Schritt in diese Richtung ist durch die Eröffnung eines Triftmuseums in Elmstein und mit der Anlage eines sogenannten Triftrundwanderweges getan worden.

Es bleibt anzumerken, daß auch eine nur temporale Inwertsetzung von besonderen Waldbeständen erstrebenswert ist. Diese dynamischen Kulturlandschaftsrelikte müssen dabei unter Naturschutz gestellt und von forstlicher Hand betreut werden. Ein derartiges Kulturlandschaftsmuseum ist beispielsweise im Spessart zu finden.

 

 

 

 

 

 

 

 


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