4- Triftwesen
               
Zur Anfangsseite ] Eine Ebene höher ] 2- Historische Umwelt ] 3- Zum Gebiet ] [ 4- Triftwesen ] 5- Triftwesen und Waldbau ] 6- Schluss ] 7- Literatur ]
 

 

T. Schmehrer: Geografische und historische Perspektiven des Kulturlandschaftswandel am Beispiel des Triftwesens in der Bayerischen Pfalz 1816-1860, Mitteilungen der Landesforstverwaltung Rheinland-Pfalz, Nr. 15/1998


TRIFTWESEN UND WALDBAU IM MITTLEREN PFÄLZERWALD UND AN DER HAARDT IN DER ERSTEN HÄLFTE DES 19. JAHRHUNDERTS

Mit dem Triftwesen und dem Waldbau in der bayerischen Pfalz im 19. Jahrhundert begegnen uns zwei Phänomene, die auf den ersten Blick scheinbar nur indirekt etwas miteinander zu tun haben. Als übergeordnete forstpolitische Zielsetzung auf der einen Seite und bloßes Instrument der Holzbeförderung auf der anderen Seite, besteht zwischen beiden jedoch eine tiefreichende Interdependenz, die sich für die Entwicklung der Kulturlandschaft Pfälzerwald als sehr maßgeblich und einschneidend herausstellen sollte. Im folgenden sollen diese beiden Komponenten in ihrer Entwicklung und ihrer Bedeutung für die Wälder des Pfälzerwaldes näher beleuchtet werden.

4.1    Die Holztrift als Wirtschaftsform im Pfälzerwald

4.1.1  Der Holztransport auf dem Wasserweg und seine Bedeutung für die Holzwirtschaft

Die Bedeutung des Holzes für die vorindustrielle Zeit ergibt sich aus seiner Allgegenwart bis weit in das 19. Jahrhundert hinein. Als wichtigste regenerative Ressource war Holz als Brenn- und Baustoff sowie als Werkstoff für unzählige Gegenstände und Gerätschaften unersetzlich. Die Lebens- und Wirtschaftsweise der Menschen der frühen Neuzeit artikulierte sich in vielfältiger Form durch die Art und Weise, in der man sich dieser regenerativen Ressourcen (Holz, Wasser, Wind- und Tierkraft) bediente.

Infolge eines verstärkten territorialen Landesausbaus und einer "erheblichen Beschleunigung der Bevölkerungsprogression" besonders nach 1750 trat zum ersten Mal auch der Raubbau als ein gravierendes Problem in Erscheinung. Zugleich wurde die Verknappung dieser Ressourcen, besonders der Mangel an Holz, in vielen Regionen spürbar. Holz, Wasser und Agrargüter wurden somit standortbestimmend und hatten Zentralisierungsprozesse und erste Vorformen von Industrialisierung zur Folge. Man sah sich dabei vor die Problematik gestellt, "ein Gleichgewicht zwischen Wald und Wirtschaft herzustellen."

Das Bemühen, mit dem Produkt Holz so wirtschaftlich wie möglich umzugehen, wurde zu einem Moment, das die Technikgeschichte vom späten Mittelalter bis zum 19. Jahrhundert durchzieht. Joachim Radkau ist der Auffassung, daß gerade dieser Antrieb, nämlich mit Holz ökonomisch umzugehen, "ganz wesentlich durch die Flößerei vermittelt, wenn nicht gar angetrieben" worden sei. Denn kein anderes Massenprodukt der vorindustriellen Zeit verlangte einen derart hohen Transportaufwand wie Holz. Der Transport von Holz über Land mit Pferde- und Ochsengespan­nen war mühsam und zeit- und kostenaufwendig. Viele waldreiche Täler und Seitentäler waren zudem überhaupt nicht durch Straßen und Wege erschlossen und daher für einen Landtransport oftmals nicht erreichbar.

Die Versorgung der Bevölkerung mit Holz war also im wesentlichen eine Frage des Transportes, "und selbst in solchen Gegenden, wo über Holzmangel geklagt wurde, lohnte sich im allgemeinen auf dem Landweg nur der Holztransport über wenige Kilometer." Der Transport auf dem Wasserwege war aus diesen Gründen die gegebene und wirtschaftlich günstigste Beförderungsart. Außerdem brachte das Flößen noch eine Qualitätsverbesserung des Holzes mit sich: geflößtes Holz trocknet schneller und ist resistenter gegen Schädlingsbefall als ungeflößtes Holz. Wenn man nun eine Region für das Trift- und Floßwesen erschloß, wur­de die Holzwirtschaft dieser Gegend vollkommen verändert. Radkau sieht diese Veränderung innerhalb der Holzwirtschaft als eine Transportrevolution an, die nur mit der späteren Bedeutung der Eisenbahn zu vergleichen ist. Die Folgen waren erhebliche Reduzierungen der Transportkosten und Zeitersparnis; oftmals wurde eine Erschließung der Wälder somit überhaupt erst möglich. Die Tatsache, ob ein Wasserlauf zur Flößerei oder Trift geeignet war, konnte den Ausschlag dafür geben, ob sich gewerbliche Holzgroßverbraucher (Salinen, Bergwerke, Hütten- und Hammerwerke) in einer Region ansiedeln bzw. bestehen konnten. Teilweise bestimmten Flößerei und Trift sogar die Holzwirtschaft einer ganzen Region. So boten sich die in den vielen Tälern des Pfälzerwaldes fließenden Bäche zur Verfrachtung des Holzes nach der waldarmen, aber dicht besiedelten Rheinebene als billigstes Transportmittel geradezu an und wurden folglich für die Holzversorgung der Städte Frankenthal, Landau und Speyer unentbehrlich.

Vor diesem Hintergrund wird deutlich, daß Radkau zu Recht die Flößerei und Trift als eine der maßgebenden Triebfedern in der Wirtschafts- und Technikgeschichte des Holzes ansieht.

Dies äußerte sich nicht nur im Vorgang des Transportes. Denn die Flößerei war zumindest tendentiell mit einem weitreichenden Beziehungsnetz von technischer, organisatorischer, wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Tragweite verknüpft. Allein die notwendigen Herrichtungen der Wasserläufe, d.h. die Begradigung und der Ausbau von Flüssen und Gewässern, das Anlegen von Klausen und Woogen (Floßweiher) und der Bau von Wehren, Rechen und Stautoren waren mit einem erheblichen Aufwand und Kosten verbunden. Es liegt auf der Hand, daß sich ein derartiger Aufwand nur dann rentierte, wenn über einen langen Zeitraum hinweg genügend Holz in den Wäldern geschlagen und zum Verkauf gebracht werden konnte.

Weiterhin förderten Flößerei und Trift schon frühzeitig das Entstehen von Holzmärkten in den Städten, auf denen der Holzverkauf durch städtische Vorschriften geregelt wurde. So erließen der Stadtrat und das Oberamt der Stadt Neustadt an der Weinstraße schon im Jahr 1431 "Ein ordenunge von des holtzes wegen", die festsetzten, daß das durch das Speyerbachtal nach Neustadt geflößte Klafter Brennholz nicht um mehr als acht Heller teurer verkauft werden dürfe, als es einschließlich Hauer- und Flößerlohn gekostet hat.. In Frankfurt am Main regelte im 18. Jahrhundert das städtische Holzamt die Zuteilung des Floßholzes an die Bürger. Das teurere, auf dem Landweg herbeigebrachte Holz durfte jedoch frei und ohne jegliche Einmischung von selten der Stadt gehandelt werden.

Radkau und Schäfer vertreten die Ansicht, daß die Flößerei somit schon früh zur Entwicklung der Geldwirtschaft beitrug und sich bereits eine gewisse "Dynamik des Kapitals, das nach Rendite" verlangte, bemerkbar machte. Aufgrund der Tatsache, daß die Flößerei und Trift immer nur in eine Richtung erfolgte (es gab ja technisch bedingt keinen stromaufwärts ablaufenden Betrieb) wurde das Holz am Bestimmungsort entnommen und i. d. R. auch an diesem sofort gegen Geld veräußert.

"Dieser Impetus, den die Flößerei schon durch ihre technischen Bedingungen der Geldwirtschaft gab, ist umso bemerkenswerter, als im übrigen die Wälder bis ins 19. Jahrhundert ein Rückzugsgebiet für die archaische Ökonomie der kostenlosen Bedarfsdeckung darstellten. Man erkennt, welche tiefen Spannungen die Flößerei in die Waldwirtschaft hineingebracht haben muß."

4.1.2  Kurzer Überblick über die Entwicklung des pfälzischen Triftwesens bis zum Ende des 18. Jahrhunderts

Die Anfänge der Flößerei in der Pfalz reichen bis in das 13. Jahrhundert zurück. So legte ein Abkommen aus dem Jahre 1295 zwischen der Stadt Landau und den Bewohnern der vorderpfälzischen Haingeraiden den Holztransport aus den pfälzischen Waldungen fest. In einer Urkunde aus dem Jahr 1320 wurde die Entlohnung und die Regelung der Floßholzlagerei auf einem Holzhof in Neustadt/W, festgesetzt.

Von großer Bedeutung für die Flößerei im Speyerbachtal war die Bachfreiheit aus dem Jahre 1403, die von König Ruprecht erlassen worden war. Der Erlaß erlaubte den Flößern, ohne jegliche Abgaben und Zölle das ganze Jahr hindurch Holz nach Neustadt flößen zu dürfen. Erst im 18. Jahrhundert wurde dieses Recht eingeschränkt, als mit dem sog. Stadengeld, das man zur Instandhaltung der Trifteinrichtungen einforderte, und mit einer besonderen Brennholzsteuer das Privileg der Bachfreiheit von der kurfürstlichen Regierung in Mannheim aufgehoben wurde.

Ab der Mitte des 18. Jahrhunderts läßt sich dann auch zum ersten Mal feststellen, daß sich die Holztrift in der Pfalz zu einer profitorientierten Wirtschaftsform veränderte. Das zeigt zum einen der Bau des Floßkanals von Neustadt nach Frankenthal durch Kurfürst Karl Philipp (1716-1742), der nicht nur die Städte Frankenthal (Porzellanmanufakturen) und Mannheini (Residenzstadt), sondern auch die Saline Philippshall in Dürkheim mit Brennholz versorgen sollte. Ein weiterer Beleg ist die Floßordnung seines Nachfolgers Kurfürst Carl Theodor (1742-1777) aus dem Jahre 1757. In seiner Einleitung sichert er zwar seinen Untertanen die Versorgung "mit einem hinlänglichen Brand-HoItz Vorrat' zu, im gleichen Absatz der Floßordnung wird jedoch bestimmt, daß zur Vermeidung der "allerhand nachtheilige Unordnungen" nicht jeder "Holtz-Gewärbere" sein Holz selbst flößen darf, sondern angehalten wird, sich der von der "Chufürstlichen Regierungs und Hof forstkammer angestellt werden sollenden Holz-Floz-Gesellschqft" zu bedienen. Es liegt auf der Hand, daß sich die kleinen Holzhändler gegen die finanzkräftigen Holzflotzkompanien nicht behaupten konnten und die Preise für das von der Bevölkerung dringend benötigte Brennholz weiterhin von einigen wenigen Holzhändlern bestimmt wurden.

Welche Bedeutung die Trift im Pfälzerwald gegen Ende des 18. Jahrhunderts einnahm und wie weit die wirtschaftlichen Verknüpfungen schon ausgeprägt waren, verdeutlicht noch eine andere Quelle aus dieser Zeit. So schreibt Johann Goswin Widder in seiner 'Beschreibung der kurfürstlichen Pfalz am Rheine' im Kapitel über das Oberamt Neustadt, daß aus dem Speyerbach "nicht nur aus den ergiebigen Elmsteiner, Neidenfelser und Weidtenthaler, sondern auch aus den noch beträchtlichen Waldungen des angrenzenden Oberamtes Lautem die Nothdurft an Brennholz für die beiden Hauptstädte Mannheim und Frankenthal, auch viele andere Ortschaften mit mäßigen Kosten beigeßösset [wird]." Und an anderer Stelle merkt er an, "daß man anßeng das in dortiger Gegend vorräthige viele Gehölz nicht nur nach Neustadt, sondern sogar bis nach Mannheim zu verßötzen, wodurch viele Leute sich häuslich daselbst niederzulassen bewogen worden sind."

Sicherlich war die gute Brennholzversorgung der Städte Mannheim und Frankenthal nicht der ausschlaggebende Beweggrund einer verstärkten Ansiedlung der Bevölkerung in diesen Städten, aber dieser Vermerk Widders zeigt deutlich, wie abhängig die aufstrebenden Städte der Rhei­nebene von einer ausreichenden Brennholzversorgung im ausgehenden 18. Jahrhundert waren. Auch wenn die in viele kleine Territorien zersplitterte Pfalz einen großangelegten Triftbetrieb, wie er nach 1816 zu finden war, zu keiner Zeit aufkommen ließ, so ist seine Bedeutung durch die kontinuierliche Nachfrage nach der Ressource Holz in der frühen Neuzeit doch von großer Bedeutung gewesen.

Die Zeit der französischen Besatzung und die ersten Jahre des Empire bedeuteten für das Triftwesen der Pfalz einen gravierenden Einschnitt. Die Holzverbringung aus den pfälzischen Wäldern nach der Rheinebene kam teilweise ganz zum Erliegen und viele der Triftanstalten verfielen oder gerieten in einen kaum mehr nutzbaren Zustand. Die herrschaftliche Aufsicht und die vormals erhobenen Floßgebühren waren beseitigt worden, so daß die verbliebenen noch funktionstüchtigen Anlagen nur noch von einigen "Holzspeculanten" gebraucht wurden, die sich diese desolate Lage zunutze machten. Eine Änderung trat erst mit dem von Napoleon von Warschau aus erlassenen Dekret von 1807 ein. Der 34 Artikel umfassende, sich teilweise auf die Floßordnung von 1791 bezie­hende, Erlaß des französischen Kaisers regelte nicht nur den Ablauf der Trift, die Holzquantität und Besoldung des Floßpersonals, sondern auch den Bau neuer Kanäle und die Verfügung über Mühlenstillstandsgelder. Die Trift wurde jedoch nicht unter staatlicher Aufsicht ausgeführt, sondern man überließ den Triftvorgang einzelnen 'Entrepreneurs' (Holzkompanien), denen zugleich die Veräußerung des getrifteten Holzes aufgetragen wurde.

Durch das Dekret Napoleons war die Holzverbringung aus dem Gebirge wieder in Gang gekommen, zumindest soweit, daß die Versorgung mit dieser lebenswichtigen Ressource, trotz der Monopolstellung der Holzkompanien, wieder einigermaßen gesichert erschien. Die Kriegseinwirkungen der Revolutionsjahre und die fehlende staatliche Aufsicht der folgenden Zeit waren jedoch nicht ohne Folgen für den Gesamtzustand der Anlagen geblieben.

4.1.3  Der Ausbau des Triftwesens ab 1816

Die für die Jahre 1816/17 zu verzeichnende Holzverteuerung, hervorgerufen durch die immer noch unter der Regie einiger weniger Holzgesellschaften versteigerten Holzbestände, veranlaßte die bayerische Regierung zur Errichtung staatlicher Holzhöfe. Die Versorgung der Bevölkerung mit Brennholz war jedoch nur mit einer verstärkten Aufschließung der Waldungen durch Floßbäche und Wege möglich, die von den einzelnen Unternehmern aber nicht zu leisten war. Trotz des Widerstandes der Holzkompanien entschloß sich die neue Regierung daher, die Trift im Pfälzerwald von 1817 an in eigener Regie durchzuführen. In der 1861 herausgegebenen Forstverwaltung von Bayern wird dieser Umstand rückschauend wie folgt beschrieben: "Im Jahr 1816, in welchem die Pfalz an das Mutterland Bayern zurückfiel, war die von den Triftunternehmern verursachte Theuerung der Brennhölzer auf den Holzhöfen ein Gegenstand allgemeiner Beschwerde, was die bayerische Staatsregierung sofort veranlaßte, mit Aufhebung der französischen Coupen Wirtschaft auch das Triften des Holzes und die Verwaltung der Holzhofe zu übernehmen."

Nach eingehenden hydrographischen sowie rechtlichen und wirtschaftlichen Untersuchungen wurden am 15. Juni 1823 per königlichem Erlaß die 33 betreffenden "Fluß- und Bachstrecken mit Rücklauf die, wegen der Holzßößerey dermalen in dem Rheinkreise bestehenden Verhältnisse, und mit Vorbehalt der Umstände, in der Folge weiter nötig werdender Bestimmungen, als floßbar erklärt."

Die Regierung konnte sich dabei zunächst auf die Vorarbeiten aus der französischen Zeit stützen, bevor mit Beginn der zwanziger Jahre dann selbst der Ausbau der Haupt- und Seitenbäche in Angriff genommen wurde. Mußten die ersten Bauten aus Kostengründen noch aus Holz er­richtet werden, so ging man von 1830 an dazu über, diese als Massivbauten aus Quadersteinen anzufertigen. Vielfach wurden die Bäche verbrei­tert, begradigt, kanalisiert und umgeleitet. Nach Vollendung des Ausbau­es um 1860 waren im Gebiet der Neustadter Trift ca. 140 km als Triftstrecke ausgebaut worden, wovon 53 km mit Mauerwerk kanalisiert waren.

Hand in Hand mit dem Ausbau des Triftwesens erfolgte die Entwicklung der Triftbehörden. Schon 1822 wurde in Neustadt ein zunächst noch provisorisches Triftamt eingerichtet, das den gesamten Triftbetrieb der Pfalz zu leiten und zu organisieren hatte. Ihm unterstellt waren mehrere Triftmeistereien, die sich speziell um dem eigentlichen Triftvorgang kümmern sollten.

Gestützt von einer umsichtigen und konsequenten Verwaltung "gelang es innerhalb kürzester Zeit, ein fortschrittliches und leistungsstarkes Wassertransportsystem zu schaffen." Der Holztransport aus dem Pfälzerwald in die Rheinebene stieg nun zunehmend an und erreichte seinen größten Umfang in den Jahren zwischen 1840 und 1850 mit etwa 27.000 Klaftern (ca. 96.000 Ster) jährlich. Allein aus den Staatswaldungen im Neustadter Triftgebiet wurden davon rund 60.000 Ster nach den Holzhöfen m der Vorderpfalz verfrachtet. Für die bayerische Regierung bedeutete dies einen jährlichen Reingewinn von etwa 140.000 Gulden.

Neben der Bedeutung als Einnahmequelle für den bayerischen Staat, darf nicht übersehen werden, daß mit dem Ausbau der Trift auch die Holzwirtschaft der Region eine wesentliche Änderung erfuhr. Die Versorgung der Bevölkerung mit dem nötigen Brennholz war nun gesichert und eine gewisse Preisstabilität gewährleistet. Auch die vielen gewerblichen Holzgroßverbraucher in der Pfalz fanden im Triftwesen einen Garanten ihrer Existenz. Ein Impetus, der sich für die noch schwache Wirtschaft der Pfalz als von immenser Bedeutung erweisen sollte. Vor diesem Hintergrund wird die ganze Tragweite des Triftwesens mit seinen weitreichenden wirtschaftlichen, gesellschaftlichen, technischen und organisatorischen Verknüpfungen deutlich.

4.1.4 Funktion und Betrieb der Trift im Pfälzerwald

Der enorme Bedarf der Rheinebene an Holz, vor allem Brennholz, verlangte nach einer kostengünstigen und schnellen Transportart dieser Ressource aus den Wäldern des Pfälzerwaldes. Die engen und wasserarmen Bäche machten jedoch eine gebundene Flößerei, bei der einzelne mächtige Stämme zu einem Floß zusammengebunden werden, fast unmöglich. Die einzige rentable Möglichkeit, das Holz aus den waldreichen Tälern des Pfälzerwaldes zu transportieren, war die Trift, auch Einzel- oder Wildflößerei genannt.

Bei der Trift wurden einzelne kurze, zersägte Holzklötze, "überwiegend Brennholz, aber auch Daubholz sowie Stiefelholz für Wingertpfähle", in den Wasserlauf geworfen, von wo sie durch die Kraft des Wassers an ihren Bestimmungsort gelangten. Aufgrund der relativ geringen mittleren Jahresniederschlagsmenge von durchschnittlich 790 mm führten die Bäche im Pfälzerwald besonders in ihren Oberläufen fast das ganze Jahr hindurch nur sehr wenig Wasser. Der Triftbetrieb war daher auf die niederschlagsreichen Monate außerhalb der Vegetationsperiode beschränkt. Für den geregelten Betrieb war für die Pfalz dies der Zeitraum vom Herbst (Michaeli, 29.9.) bis Mitte April (Georgi, 23.4.), auch um eventuelle Beschädigungen der anliegenden Wiesen und Grundstücke zu vermeiden.

Wie bereits angesprochen, fehlte den meisten zur Trift benutzten Bächen in ihrem Oberlauf die "Eigenschaft der natürlichen Triftbarkeit", d.h. sie führten nicht nur zuwenig Wasser, sondern dem Bachbett fehlte es auch an der nötigen Breite, um die bis zu 1,75 m langen Scheite zu vertriften. Durch eine Verbreiterung des Bachbettes, einhergehend mit einer Befestigung des Ufers mit Flechtwerk oder Quadermauerwerk und durch den Bau von Staubecken - in der Pfalz Wooge, in Bayern Klause genannt - versuchte man, diese Defizite zu kompensieren. Die Staubecken bestanden bis zum 19. Jahrhundert größtenteils aus Holz und aufgeschütteten Erdwällen. Erst mit dem Ausbau des Triftwesens in der bayerischen Zeit nach 1816 wurden sie durch solides Mauerwerk ersetzt.

Woog im Erlenbachtal 

Quelle: eigene Aufnahme

War das Gefälle in den Oberläufen und Hauptflüssen gewöhnlich ausreichend, so betrug es in den Haupttälern, besonders im Speyerbachtal zumeist unter 1%. Der nötige Ausgleich des Gefälles erfolgte durch die Einrichtung von Wehren, Stürzen und Überfällen (s. Abb. 5).

Riesel im Erlenbachtal 

Quelle: eigene Aufnahme

Um einen ungehinderten Ablauf des Triftvorgangs zu gewährleisten, wurden die Bäche auch in ihrem Unterlauf über lange Distanzen hinweg kanalisiert. Zusätzlich wurden Speichervorrichtungen oder Rechen eingebaut, in denen das Holz am Ende des Triftvorgangs aufgefangen bzw. an Hindernissen wie den Triebwerksanlagen der zahlreichen Mühlen und Papierfabriken oder Wiesen vorbeigeführt wurde.

Kanalisierter Unterlauf des Erlenbaches 

Quelle: eigene Aufnahme

Zu Beginn des Triftvorgangs wurden die Wooge und Klausen mit Wasser gefüllt. Sobald der Woog vollgelaufen war, wurden die Woogtüren unter Aufsicht des Woogmannes geöffnet und "in das aus dem gezogenen Woog herausstürzende Wasser wurde von dem unmittelbar nächsten Bollerplatz [Holzeingabeplatz] aus das Triftholz Scheit für Scheit eingeworfen." Das zunächst noch durcheinander schwimmende Holz wurde dann unter Inganghaltung der Fortbewegung durch die Flößermannschaften vom Ufer aus nach und nach gleichmaßiger verteilt. Durch die Unregelmäßigkeiten der gekrümmten Wasserläufe wurde das Triftholz nicht selten an die Ufer gespült, blieb an Felsen hängen oder bohrte sich in die Sohle der Gewässer. Zur Vermeidung dieser Störungen wurde jedes "Flootz" vom Bollerplatz bis zum Ausschlagen auf den Holzhöfen auf dem sogenannten Flößerpfad von den Flößermannschaften begleitet.

Flößer beiseitigt im Bachlauf auftretende Störung im treibenden Floß

Quelle: Hauck 1930, S. 84

In der Regel war sogar noch vor dem eigentlichen Triftvorgang der sogenannte "Vorläufer" den Floßbach abgelaufen, um etwaige Hindernisse zu beseitigen und um die Rechen an den Mühlen- und Werkkanälen zu überprüfen. Am Ende des Tagwerkes - mit Einbruch der Dunkelheit wurde der Betrieb eingestellt - wurde das Holz in den Scheeren aufgefangen und bis zum nächsten Triftvorgang in der Scheere schwimmend verwahrt. Sobald die Flootzspitze einer Trift am Holzhof ankam, wurde es dem Wasser entnommen, aufgesetzt, gezählt und in die Obhut des Holzhofpersonals übergeben. Der Ablauf der Trift im Pfälzerwald läßt erahnen, mit welch hohem Verschleiß und auch Kosten das Triftwesen verbunden war. Nicht nur, daß die Trifteinrichtungen häufig ausgebessert und neu hergerichtet werden mußten, sondern das geflößte Holz mußte während des Triftvorganges auch noch ständig bewacht werden, da es in besonderem Maße durch Diebstahl bedroht war.

Scheere im Speyerbachtal Quelle, eigene Aufnahme

Die Instandhaltung der Triftangelegenheiten und die Betreuung des Holzes auf seinem Weg talabwärts führte dazu, daß sich schon bald ein eigener Berufsstand "mit entprechendem Selbstbewußtsein und Erfahrungsschatz" herausbildete. Die gesellschaftliche Tragweite der Flößerei bzw. Trift in der Pfalz äußert sich zudem in der Gründung der Siedlungen Waldleiningen und Frankeneck im 18. Jahrhundert durch Karl Friedrich Wilhelm, Fürst von Leiningen, der in den neuen Dörfern insbesondere die Ansiedlung von Holzhauern und Flößern förderte.

4.2    Einflußgrößen auf die bayerische Forstpolitik

Bis weit in die Mitte des 19. Jahrhunderts hinein war der Wald durch seine Vielzahl an Produkten für die Menschen von großer Bedeutung. Neben der Holzproduktion waren die Wälder insbesondere für die ländli­che Bevölkerung durch die vielseitigen Nutzungsformen (z.B. landwirt­schaftliche Nutzungen: Streunutzung, Schweinemast, Waldweide, Wald­feldbau u.a. ) die Garanten der Existenz. Die Intensität der jeweiligen Nutzungen stand dabei in engem Zusammenhang mit der demographischen Entwicklung in den einzelnen Gebieten.

Die Verteilung, Dichte, Struktur und Bewegung der Bevölkerung ist in diesem Sinne also einer der ausschlaggebenden Faktoren für den Zustand bzw. die Veränderung des Waldes. Die Anforderungen, die an diesen gestellt wurden und sich damit auf das forstwirtschaftliche Produktions­ziel in 19. Jahrhundert auswirkten, lassen sich daher nur vor dem Hinter­grund der demographischen Entwicklung verstehen.

4.2.1  Die demographische Entwicklung

Die Problematik der Darstellung der Bevölkerungsentwicklung der Pfalz für die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts liegt in dem unzureichenden und unsicheren Datenmaterial begründet. Auch wenn mit Beginn des 19. Jahrhunderts durch die Gründung statistischer Büros institutionelle Grundlagen zur Datenerhebung geschaffen wurden (in Bayern im Jahre 1808), weist das statistische Material für die Folgezeit doch einige Un­genauigkeiten und z.T. "zahlreiche methodische Mängel" auf.

Allein die verwendeten Quellen für diese Arbeit belegen diese Tatsache recht deutlich. So ergibt eine Zusammenstellung der Bevölkerungszahlen aus den einzelnen Kreisen bei Philipp August Pauly eine Gesamtzahl von 388.057 Einwohnern für das Jahr 1816. Nach den Angaben von Georg Friedrich Kolb betrug "die Bewohnerzahl des jetzigen Rheinkreises [ ...] nach amtlichen Angaben" für das Jahr 1813 aber bereits schon 429.695, und für 1821 stellt er ein Anwachsen der Bevölkerung auf 446.141 Personen fest. Allerdings merkt er selbst an, "daß diese amtlichen Angaben hie und da (besonders was den ersten und zweiten der hier zusammen gestellten Posten betrifft), von Mängeln nicht frei sind."

Diese Unsicherheit des Datenmaterials ist für den bayerischen Rheinkreis bis in die 50er Jahre des 19. Jahrhunderts zu verfolgen. Die einzelnen Untersuchungen zur Bevölkerungsentwicklung in der Pfalz liefern daher unterschiedliche Ergebnisse. Insgesamt gesehen wird jedoch sowohl der 'Bevölkerungsexplosion' als auch der Stagnation während der späten 40er Jahre Rechnung getragen.

Bevölkerungsentwicklung in der bayerischen Pfalz im 19.Jahrhundert Quelle: Verändert nach Alter 1966/67, S. 172/173

Die demographischen Veränderungen in der Pfalz ereigneten sich in einer Zeit tiefgreifenden Wandels der wirtschaftlichen und sozialen Strukturen. So wurde die Bevölkerungsstruktur der bayerischen Pfalz bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts hauptsächlich von der Landwirtschaft beeinflußt. Diese agrarische Prägung bestimmte auch maßgeblich die Standortwahl von Handel und Gewerbe. Hinzu kam das in Südwestdeutschland herrschende Erbrecht der Realerbteilung, das im Erbfall eine gleichmäßige Aufteilung des Besitzes auf alle Nachkommen vorsieht. Die Folge war eine zunehmende Zersplitterung und Verkleinerung des Besitzes, bis an die Grenze der wirtschaftlichen Rentabilität. Nipperdey sieht in der Handhabung dieses Erbrechtes daher die Gründe für die Zunahme der Eheschließungen, bei denen es sich "um eine Kombination eherechtlicher, ökonomischer und erbrechtlicher Gegebenheiten" handelte.

Die durch das Erbrecht bedingte Situation und eine Verbesserung der Ernährungsgrundlage -von den Hungerjahren 1816/17 einmal abgesehen ­ begünstigten ein weiteres Anwachsen der Bevölkerung in der Pfalz in den ersten 30 Jahren des 19. Jahrhunderts. So ist es nicht verwunderlich, daß diese Region, obwohl mit rund 6000 km2 der flächenmäßig kleinste der acht bayerischen Kreise und zudem ohne nennenswerte größere Ballungsgebiete, die höchste Einwohnerdichte (83 Einwohner/km2)227 im ganzen Königreich Bayern aufwies. Die Mehrzahl der Bevölkerung (96%) lebte 1825 in Gemeinden unter 2000 Einwohnern. Die wenigen Städte hatten selbst kaum mehr als 6000-8000 Einwohner. Zur Verteilungsstruktur ist zudem zu bemerken, daß sich der Großteil dieser agrarisch bestimmten Bevölkerung auf den östlichen Teil (Vorderpfalz, Rheinebene) der Pfalz mit den ertragreichen Böden und dem Weinbauklima beschränkte.

Mit Beginn der 30er Jahre des 19. Jahrhunderts führte der fortschreitende Anstieg der Bevölkerungszahlen jedoch zu einer ersten Agrarkrise. Die "bäuerlich-gewerblichen Kleinexistenzen der Realteilungsgebiete" waren nicht länger in der Lage, allein durch Bewirtschaftung der kleinen Parzellen bzw. durch die Ausübung eines kleinen Gewerbes, ihre Familien zu ernähren. Ausweichmöglichkeiten auf Bereiche, die bisher wegen ihrer geringeren Bodengüte kaum oder gar nicht genutzt wurden, waren kaum gegeben. Die Versuche der Urbarmachung dieser weniger ertrag­reichen Gebiete waren oft nicht nur von vornherein zum Scheitern verur­teilt, sondern wurden im Hinblick auf die Wälder von den Forstbehörden in der Regel aus Sorge um den Waldzustand unterbunden.

Die angespannte Situation des Handwerks und des Kleinbauerntums wurde Anfang der 30er Jahre durch die auftretenden Teuerungsraten für die wichtigsten Grundnahrungsmittel noch verschärft. In der Folge dieses sich langsam verstärkenden Pauperismus stieg die Auswanderungsrate deutlich an.

Die Bevölkerungsentwicklung der Pfalz wurde durch diese zweite Aus­wanderungswelle nach 1816-19 jedoch nicht erheblich beeinflußt. Noch immer stiegen die Bevölkerungszahlen an, wobei insbesondere die Städte in den Rheinniederungen durch die sich dort verbessernden Lebensbedingungen (Rheinbegradigung) höhere Zuwachsraten zu verzeichnen hatten. Der Bereich des Haardtrandes hatte hingegen die obere Grenze der Tragfähigkeit schon erreicht. Diese Periode von 1830 bis 1848 ist daher durch eine starke Binnenwanderung gekenn­zeichnet, die einen ersten Verstädterungsprozeß zur Folge hatte.

Mit dem Einsetzen der Hungersnöte um die Mitte und Ende der 40er Jahre, verursacht durch die erstmalig auftretende Kartoffelfäule und die Getreidemißernten von 1847, wurde der stetigen Bevölkerungszunahme (die Bevölkerung der Pfalz belief sich nun auf etwa 580.000 Menschen) vorerst ein Ende gesetzt. Für die Pfalz setzte nun die Periode der stärksten Auswanderung ein. Werner Weidmann konstatiert für die Pfalz einen Anteil von 16,6% an den gesamten Auswanderungen des späteren Reichsgebietes, die Werte liegen damit dreimal so hoch wie der Durchschnitt. Für die zwölf Jahre von 1848 bis 1860 ist eine deutliche Stagnation bzw. ein Rückgang der Bevölkerungszahlen festzustellen. Alter vermutet für diese Jahre einen Bevölkerungsrückgang um ca. 5% . Neuere Darstellungen zeigen jedoch, daß bereits Mitte der 50er Jahre wieder eine leichte Zuwachsrate festzustellen ist. Dies läßt sich auch durch die Angabe in der Forstverwaltung Bayerns bestätigen, nach der sich die Einwohnerzahl für die Rheinpfalz für das Jahr 1858 auf 595.129 Personen beläuft. Dieser zunächst leichte, ab der Mitte der 60er Jahre wieder stärker einsetzende, Anstieg der Bevölkerungsrate korreliert mit dem zunehmenden Industrialisierungsprozeß in Deutschland. Ungefähr ab 1850 ist dann auch eine langsam einsetzende Binnenmigration in Richtung der jetzt nun rasch wachsenden Industriestädte (z.B. Ludwigshafen/Rhein, Frankenthal) festzustellen.

Auch wenn die Pfalz hinsichtlich der nun massiven Industrialisierung in vielen Gebieten Deutschlands weit hinter dem Durchschnitt zurückliegt, kann doch ab den 70er Jahren des 19. Jahrhunderts ein deutlicher Rückgang des bisher dominierenden Agrarsektors verzeichnet werden. Die starke Binnenwanderung weg von den lange Zeit überbevölkerten, agrarischen Gebieten am Haardtrand in Richtung der industriellen Ballungszentren Ludwigshafen und Kaiserslautem sind Ausdruck dieser sich in den folgenden Jahrzehnten noch verstärkenden Entwicklung.

4.2.2  Die Holzversorgung der Bevölkerung

Die kontinuierliche Versorgung der pfälzischen Bevölkerung mit ausreichend Brenn- und Nutzholz war eines der Hauptanliegen der neuen bayerischen Regierung. Schon in der im Dezember 1816 verabschiedeten Erklärung von König Maximilian Joseph wird aussdrücklich "auf die Wünsche und Bedürfnisse Unseres Rheinkreises und auf die Vorschläge des Landrathes diejenige Rücksicht" genommen, "welche die Zeitverhältnisse erheischen und erlauben." Unter Paragraph IX findet sich dann folgende Bestimmung: "Um die Einwohner Unserer Rheinlande nicht länger dem drückenden und verderblichen Wucher der Holzhändler hinzugeben, wird sich Unsere Regierung unverzüglich mit Vorschlägen beschäftigen, auf welche Weise und an welchen Orten Holzhöfe für Rechnung Unsers Aerars anzulegen wären, woraus den Einwohnern ihr Holzbedarf gegen billige Preise verabfolgt werden könnte."

In den folgenden Jahren blieb die Holzversorgung einer der wichtigsten Verhandlungsgegenstände des pfälzischen Landrates. In den einzelnen Landratsbescheiden tauchen deshalb immer wieder Bestimmungen zur Feststzung der Holzpreise auf den Holzhöfen bzw. Verfügungen zur Einrichtung derselben auf.

Die Forstverwaltung befand sich also in einer Zwangslage. Der Wirtschaftszweck mußte mittels der forstwirtschaftlichen Methoden dazu dienen, für die Wohlfahrt des Staates langfristig ausreichend Holz zu produzieren. Diese übergeordnete Zielsetzung wirkte sich unmittelbar auf das Produktionsziel der Forstwirtschaft aus. In den Wirtschaftsregeln für den Pfälzerwald kommen diese Bestrebungen nach einer nachhaltigen Holzerziehung zur Versorgung der Bevölkerung deutlich zum Ausdruck.

Die sich auf die Instruktionen der Forsteinrichtung von 1830 beziehende Schrift von Martin und Stadtmüller belegt diese unmittelbare Einflußnahme der Bedürfnisse der Bevölkerung an die Forstverwaltung recht eindrucksvoll. So heißt es im Kapitel über die Hauptwirtschaftsregeln unter dem Abschnitt Wirtschaftszweck: "[Bei den] Bedarfsverhältnissen, wie sie in der Pfalz bestehen, und bei der im Steigen begriffenen Bevölkerung aller Wahrscheinlichkeit noch progressive stärker hervortreten werden, stellt sich die Aufgabe zur Lösung an die Forstwirtschaft: so­wohl möglichst viel Brenn=, wie auch möglichst viel Bau=, Nutz= und Werkholz in den gesuchtesten und werthvollsten Sortimenten zu erziehen, insbesonder aber wegen des großen Bedarfs an Wingerts= und Faßholz, der Erziehung von Eichen-Nutzhölzern eine besondere Sorgfalt zuzuwenden."

Der Verweis auf die ansteigenden Bevölkerungszahlen laßt die Interdependenz zwischen Bevölkerungsentwicklung, Holzversorgung und Waldbau deutlich hervortreten. Das Bevölkerungswachstum stellte die Regierung in dieser Hinsicht vor ein ernsthaftes und vor allem dauerhaftes Problem. Obwohl um 1830 40% der Oberfläche der Pfalz mit Wald bedeckt waren, gelang es der Regierung aufgrund der schlechten Zugänglichkeit der Waldungen nur selten, dem sprunghaft ansteigenden Holzbedarf nachzukommen. Der dauernde Mangel zog unweigerlich eine Verteuerung dieser wichtigen Ressource nach sich. Die Preissteigerungen resultierten zudem aus der im Rheinkreis üblichen Form der Veräußerung des Holzes auf den Holzhöfen. Als äußerst einträgliche, staatliche Finanzquelle wurde das Holz zumeist versteigert, wobei einzelne Holzhändler die Preise sehr oft in die Höhe trieben, so daß es für die ärmeren Schichten der Bevölkerung oft unerschwinglich blieb.

Durch den Ausbau des Triftwesens und der Einrichtung zahlreicher neuer Holzhöfe gelang es der bayerischen Regierung bis 1830, den "Holzpreis in dem Rheinkreise seit dem Jahre 1817 um mehr als 30%" zu vermindern. Diese Senkung der Holzpreise in den 20er Jahren verlief parallel zu den durch mehrere gute Ernten hervorgerufenen Preisverfall der agrarischen Produkte.

Die schnell wachsenden Bevölkerungszahlen und die weiterhin unter fiskalischen Gesichtspunkten praktizierte Holzveräußerung führten zu Beginn der 30er Jahre zu einer drastischen Teuerungsrate dieses Produktes. Die Klagen der Bevölkerung über eine mangelnde Versorgung bzw. über zu hohe Preise waren nun allenthalben zu vernehmen. Die im Landrat der Pfalz angefertigten Protokolle über diese Beschwerden liefern ein eindrucksvolles Zeugnis über die Not der Bevölkerung in dieser Zeit.

In einem gesonderten Bericht wird schon 1838 (!) die Hoffnung gehegt, daß mit Hilfe der Eisenbahn, "besonders das Brennholz in alle Theile des Kreises leicht und mit geringen Kosten wird verführt werden können. Welche Erleichterungen den Wenigerbemittelten hiedurch erwachsen wird, läßt sich um so leichter ermessen, als der Preis dieses unentbehrlichen Lebensbedürfnisses in manchen Theilen der Pfalz auf eine von den Armen nicht mehr zu erschwingende Höhe gestiegen ist."

Die Holznot nahm derart alarmierende Formen an, daß sich die Regierung genötigt sah, mancherorts die Versteigerung des Holzes dergestalt zu reglementieren, daß "Holzhändler und Ausländer von der Versteigerung des Brandholzes ausgewiesen" wurden und zwar solange "bis der Local bedarf befriedigt" war. Teilweise sah sich die Regierung sogar genötigt, daß bestimmte Holsortimente (i.d.R. Brennholz schlechterer Qualität) allein den ärmeren Schichten vorbehalten blieben. 1839 wurde diese Maßnahme beispielsweise von der Forstverwaltung, die der Kammer der Finanzen unterstand, für den Aerarial Holzhof Landau vorgeschlagen. Unter Anweisung des zuständigen Triftamtes verfügte dieser Erlaß, "daß man die geringen Prügel [hier Kiefernscheitholz] blos an die ärmere Klasse des Publikums abgebe . "

Die Maßnahmen der bayerischen Regierung konnten jedoch die fortschreitende Verarmung und Notlage der Bevölkerung kaum mildem. Die ärmeren Teile der Bevölkerung, bestärkt durch die liberalen Ideen des Hambacher Festes, die sie als Legitimation für die Befriedigung der elementarsten Bedürfnisse interpretierten, versuchten die sich verschärfende Lage durch eine verstärkte Holzfreveltätigkeit zu kompensieren, die schon bald zu einem noch nie gekannten Ausmaß führen sollte. Schon 1830 kam es zu ca. 90.000 Gerichtsverhandlungen in Forstfrevelangelegenheiten, und für die Gerichtsperiode 1842/43 erreichte die Freveltätigkeit mit fast 180.000 Verurteilungen ihren Höhepunkt.

Die Abbildung zur Holzpreisentwicklung in der Pfalz spiegelt die angesprochene Situation wider. Zusammenfassend läßt sich für die bayerische Pfalz folgendes zur Preisentwicklung für Nutz-und Brennholz festhalten.

Zunächst ist auffallend, daß für Nutz- und Brennholz anscheinend eine ähnliche Preisentwicklung zu erkennen ist.

Für die 20er Jahre ist demnach ein allgemeiner Preisverfäll zu verzeich­nen, der nur durch einen kurzen, allerdings heftigen Preisanstieg von Nutzholz für das Jahr 1823 unterbrochen wird. Die Gründe für diesen Anstieg konnten jedoch nicht eruiert werden. Für die Jahre von 1825 bis 1830 ist ein relativ konstanter Preisverlauf festzuhalten. Zu Beginn der 30er Jahre kommt es dann zu einer drastischen Teuerungsrate, die 1841 ihren Höhepunkt erreicht. Für den Zeitraum von 1841 bis 1851 ist der Abbildung zwar ein Preisverfall zu erkennen, doch sprechen die Quellen hier eher von einem langsamen Ansteigen der Preise, die erst mit den "von politischen Aufregungen heimgesuchten Jahren 1848 und 1849' wieder fallen sollten.

-x- Nutzholz  -■- Brennholz

Preisentwicklung von Nutz- und Brennholz für die Jahre 1817 bis 1857 

Quelle: nach Daten der Holzpreislisten der Baierischen Regierung des Rheinkreises (vereinfacht, Erläuterung im Text)

Der Preisanstieg für die nachfolgenden Jahre resultierte nach Auffassung der Regierung dann, "in der Wiederherstellung geordneter staatlicher Verhältnisse nach den politischen Ereignissen der Jahre 1848 und 1849, in Folge deren die Holzpreise noch weit unter ihren früheren Stand herabgedrückt waren, dann in der durch die Zunahme der Bevölkerung, Industrie und Gewerbetätigkeit vermehrten Consumtion und dem hiedurch erhöhten Gebrauchswert des Holzes."

Durch die vermehrte Nutzung des Holzsurrogates Steinkohle, das seit 1849 aus dem Bexbacher Kohlebecken mit der Eisenbahn auch in die östlichen Teile der Pfalz eingeführt wurde, setzte eine allmähliche Loslösung vom lange dominierenden Energielieferanten Holz ein. Diese Erschließung fossiler Energien, einhergehend mit der Entwicklung der Industrie und des Transportwesens, veränderte ab der Mitte des 19. Jahrhunderts die wirtschaftliche Basis der deutschen Länder.

4.3    Forsteinrichtung und Waldbau

Der Bevölkerungsentwicklung der Pfalz kam hinsichtlich der waldbaulichen Tätigkeiten der neuen Forstverwaltung ein bedeutendes Moment zu. Als unmittelbare Einflußgröße wirkte sie sich insbesondere auf die Festlegung des forstlichen Produktionszieles aus. Vor diesem Hintergrund sollen in den folgenden Kapiteln die waldbaulichen Tätigkeiten und de­ren Auswirkungen auf das Waldbild dargelegt werden. Da das Waldbild des Pfälzerwaldes im 19. Jahrhundert und teilweise noch bis heute seine Ursachen in den früheren Nutzungen hat, soll hier exemplarisch auf die, der bayerischen Zeit vorangehende, französische Epoche eingegangen werden.

4.3. l   Das "forstliche Erbe" der französischen Zeit

Die fast zwanzig Jahre währende französische Herrschaft brachte für die pfälzischen Waldungen vielfältige Änderungen mit sich. Besonders die ersten Kriegsjahre waren durch eine ungeregelte Nutzung gekennzeichnet, die den späteren Waldaufbau und die Forsteinrichtungen der französischen und bayerischen Regierungen auf lange Zeit hin bestimmen sollten. Der enorme Holzbedarf des Militärs (z.B. für Verschanzungen) und der Bevölkerung (Wiederaufbau der zerstörten Häuser) führten in einigen Bereichen des Pfälzerwaldes zu Kahlschlägen beträchtlichen Ausmaßes.

Der schlechte Zustand der Wege aufgrund einer Vernachlässigung in der Unterhaltung bzw. durch eine übermäßige Inanspruchnahme durch das Militär, ferner der Verfall der Floßbäche und der Mangel an Gespannen machten die Verfrachtung des Holzes auf größere Entfernungen oft unmöglich. Infolge der Erschwerung des Holztransportes konnten die gesteigerten Bedarfsansprüche an den Wald nicht mehr im Rahmen des bisherigen Nutzungsganges befriedigt werden. Die durch den Ausbau der Trift von der Mitte des 18. Jahrhunderts sich immer mehr in tiefere und unerschlossene Waldgebiete bewegende Holzgewinnung griff nun "wieder auf die frachtgünstig gelegenen Bestände zurück."

Dies hatte zur Folge, daß insbesondere der zur Rheinebene gelegene Haardtrand wieder stärker dem Raubbau durch die Bevölkerung ausgesetzt und die sich gerade erholenden Bestände dadurch stark in Mitlei­denschaft gezogen wurden. Den durch den Ausfall der Trift hervorgerufenen Mangel an Brenn- und Nutzholz (Holz für Weinfässer und Wingertpfähle) kompensierten die Gemeinden der Vorderpfalz durch eine verstärkte Freveltätigkeit. Hinzu kam das Problem, daß aufgrund des sich immer weiter ausdehnenden Weinbaus den vorderpfälzischen Viehbauern nur wenige Weiden zur Verfügung standen. Der Eintrieb des Viehs in die Wälder zur Waldweide und eine sich immer mehr verbreitende Stallhaltung, die eine verstärkte Waldstreuentnahme implizierte, taten ein Übriges zur Verschlechterung der Lage der pfälzischen Wälder.

Überaus nachteilig auf die Waldsituation wirkte sich der Verkauf des Holzes auf dem Stock aus. In den unerschlossenen Waldgebieten war die neue französische Forstverwaltung gezwungen, das Holz schon vor der Fällung an meistbietende Holzkompanien zu verkaufen, da die Kosten des Holztransportes (s.o.) für Selbstverbraucher nicht aufzubringen waren. In den aus überwiegend Laubhölzern bestehenden Waldungen wurden dadurch "große Kahlflächen niedergelegt, auf denen nur eine verhältnismäßig kleine Anzahl von Überhältern [besonders starker Baum] als Schutz- und Samenbäume zur natürlichen Verjüngung durch Samenabfall stehen blieb."

Obwohl die Holzfäller der Kompanien der französischen Forstverwaltung unterstellt waren und "Übergriffen der Holzhändler durch vorgesehene Vertragsstrafen vorgebeugt wurde", war eine Wiederaufforstung bzw. eine Verjüngung der Bestände, wie sie den waldbaulichen Kenntnissen dieser Zeit entsprachen, durch dieses Verkaufsverfahren nahezu unmöglich geworden. Den Holzkompanien wurde von der Forstverwaltung zwar die Wiederaufforstung der abgeholzten Waldflächen zur Auflage gemacht, doch wurde diese "übernommene Kulturaufgabe" von den Holzkäufern, wenn überhaupt, nur sehr mangelhaft ausgeführt, oft soll es sogar vorgekommen sein, "daß sie [die Holzhändler] durch Bestechung des schlechtbesoldeten unteren Forstpersonals sich noch nachträglich die schönsten der stehen gebliebenen Überhälter aneigneten". Die Folge dieser profitorientierten Waldwirtschaft waren verkümmerte und wenig ertragreiche Eichen- und Buchenbestände, die sich hauptsächlich nur noch durch Stockausschlag verjüngten.

Waren die pfälzischen Waldungen in den ersten Jahren der französischen Herrschaft im wesentlichen ein reines Ausbeutungsobjekt, so begann sich mit der Konsolidierung des französischen Staates unter Napoleon eine geordnetere Forstverwaltung zu etablieren, die sich insbesondere der Er­haltung und Verbesserung des Waldzustandes widmete. So wurden u.a. sämtliche Waldungen einer staatlichen Forstverwaltung unterstellt und die Nutzungsrechte der Gemeinden und Marktgenossenschaften (Haingeraide) eingeschränkt.

Mit dem sich nun langsam erholenden Wirtschaftsleben der Pfalz änderte sich auch das Verhältnis zwischen Bau- und Brennholzbedarf. Der Bedarf an Nutzholz für Baumaßnahmen nahm erheblich zu und hier insbesondere die "stetig steigende Nachfrage nach schwächerem Nutzholz". Die Untersuchung der Bestände zeigte jedoch, daß mit den bisherigen Umtriebszeiten (80 Jahre) die nachhaltige Deckung des Nutzholzbedarfes nicht erzielt werden konnte. Die Waldwirtschaft, die bisher hauptsächlich auf die Erzeugung von Brennholz eingestellt war, mußte jetzt auf Nutzholz umgestellt werden. Dies sollte mit einer Heraufsetzung des Umtriebes auf 100 bis 120 Jahre erreicht werden. In den 'Projets d'Amenagement des forets imperiales' aus den Jahren 1807 bis 1812 lautete das Ziel der französischen Forstverwaltung demnach auch, daß "der Nachwelt höhere Erträge als die des gegenwärtigen Umtriebs (revolution), die in keiner Weise der Bodenkraft (possibilite du sol) ent­sprechen, zu verschaffen" sind.

Man wollte diesen Plan dadurch fördern, daß man den Anbau des Laub­holzes nur noch auf den besten Böden erlaubte. Auf Standorten mit geringerer Bodenqualität durchmischte man hingegen die Laubholzbestände mit Kiefern, während auf allen sonnenseitigen Lagen und auf völlig devastierten Böden reine Kiefernbestände angepflanzt wurden. Diese verstärkte Pflanzung der sich schon seit dem 18. Jahrhundert stark aus­breitenden Kiefer hatte längerfristig eine Verschiebung in der Baumartenzusammensetzung zur Folge, bei der die Eichenmischwälder zugunsten der Kiefer immer mehr zurückgedrängt wurden.

Zur Verwirklichung ihrer Bestrebungen machte sich die französische Forstverwaltung schon 1807 daran, das Wegenetz in den pfälzischen Waldungen zu verbessern und auszubauen. Auch der Triftbetrieb wurde wieder aufgenommen und durch ein Dekret Napoleons von 1807 neu geregelt.

Das Ergebnis der Bemühungen um eine Aufforstung und Wiederherstellung der Ordnung in den pfälzischen Waldungen blieb jedoch hinter den gesetzten Zielen zurück.

So waren im Mai des Jahres 1813, ein halbes Jahr vor dem Ende der französischen Herrschaft, kaum die Hälfte der pfälzischen Staatswaldungen neu vermessen und verbessert worden.

Noch immer wurden große Teile der Waldungen im Niederwaldbetrieb bewirtschaftet, so daß sich die gewünschte Nutzholzgewinnung nicht überall durchsetzte. Dies war wohl hauptsächlich durch die Tatsache bedingt, "daß es der Wirtschaft sehr oft nicht möglich war, die überkommenen ungeheuren Kulturaufgaben zu bewältigen". Mit der Niederwaldwirtschaft war hingegen die Möglichkeit gegeben, kosten- und pflegeintensive Kulturflächen zu vermeiden und somit devastierte Waldflächen in eine mehr oder minder ertragreiche Nutzung zu überführen. Diese Niederwälder entsprachen allerdings nicht den Vorstellungen der französischen Forstverwaltung von einer nachhaltigen Wirtschaftsweise. Auch die Erträge aus den jährlichen Holzfällungen blieben hinter den Erwartungen der Forstbehörden zurück, weil es dem französischen Staat aufgrund der Monopolstellung einiger weniger Holzkompanien nicht gelang, dirigierend auf die Preisentwicklung der Holzmärkte einzuwirken.

Eine Beurteilung des in der französischen Zeit ausgeübten Waldbaus ist nicht ohne weiteres vorzunehmen. Zum einen war mit dem Verkauf des stehenden Holzes über die ganze Zeit hinweg ein augenfälliger Mißstand gegeben, der einem geordneten Waldaufbau entgegenwirken mußte. Zum anderen wurden durch die französische Forsteinrichtung, in Verbindung mit einer neuen juristischen Grundlage, die ersten Strukturen für einen geordneten Waldaufbau geschaffen, auf denen die bayerische Regierung aufbauen konnte.

Die durch die Kriegseinwirkungen erschwerten Bedingungen und der rapide Anstieg der Bevölkerung schufen gänzlich andere Ausgangsbedingungen als sie später für die bayerische Regierung gegeben waren. Fenkner-Voigtländer bewertet daher die Leistungen der französischen Forsteinrichtung eher positiv, wobei sie insbesondere auf die künstliche Verjüngung abhebt. Auch Allmann spricht der französischen Forstverwaltung eine beachtliche Aufbauleistung zu, die direkten Kriegseinwir­kungen auf die Wälder will er jedoch nicht überbewertet wissen. Zwar sind für einige Waldbereiche erhebliche Kriegseinwirkungen nachweisbar, jedoch war insgesamt das Ausmaß längst nicht so dramatisch wie das einige Autoren des 19. Jahrhunderts in ihren Schilderungen darstellen. Die allgemein ungünstige Beurteilung der französischen Zeit durch die bayerischen Forstbeamten erscheint vor diesem Hintergrund jedenfalls in einem anderen Licht. Es ist vielmehr davon auszugehen, daß es sich vielmehr um eine forstpolitische Legitimation im Hinblick auf eine stärkere Einflußnahme der bayerischen Forstverwaltung auf den Wald handelte.

Zusammenfassend bleibt festzuhalten, daß trotz einiger Mißstände ein deutlicher Fortschritt auf dem Gebiet des pfälzischen Forstwesens in den Jahren von 1802 bis 1814 zu verzeichnen ist.

4.3.2  Die Forsteinrichtung unter bayerischer Verwaltung

Nach einer fast 20jährigen, ununterbrochenen Besetzung endete am l. Januar 1814 die französische Herrschaft über die Region der Pfalz. Zunächst noch unter der Verwaltung einer Interimsregierung, übernahm nach dem ersten Pariser Friedensschluß (30. Mai 1814) eine aus österreichischen und bayerischen Kommissarien zusammengesetzte, provisorische gemeinschaftliche Landesadministrationskommission am 16. Juni 1814 die Zivilverwaltung über die von den Franzosen abgetretenen Länder zwischen Rhein, Mosel, Saar und der neuen französischen Grenze. Diese Kommission blieb bis zum Wiener Kongreß die oberste Verwaltungsbehörde für das wiedergewonnene Gebiet der Pfalz.

Mit den Beschlüssen des Wiener Kongresses und des am 14. April 1816 abgeschlossenen Staatsvertrages mußte Bayern das Herzogtum Salzburg, Teile des Inn- und Hausruckviertels,. Tirol und das Amt Vils an Österreich abtreten und bekam dafür als Ersatz diejenigen Gebiete zugesprochen, die heute die Pfalz bilden. Dem von der Münchner Regierung im Vertrag von Ried zugesicherten Erbanspruch auf den rechtsrheinischen Teil der Kurpfalz, der einen Territorialzusammenhang der Pfalz mit dem bayerischen Stammland bedeutet hätte, wurde jedoch nicht entsprochen, da das Großherzogtum Baden in seiner Verfassungsgebung von 1818 seine Unteilbarkeit manifestierte. Ein Umstand, der sich für die Pfalz besonders in wirtschaftlicher und agrarpolitischer Hinsicht als erheblicher Nachteil herausstellen sollte.

Die neue Interimsregierung wurde schon bald auf dem Gebiet der Forstwirtschaft tätig. Man versuchte nun, dem Forstwesen ein eigenes Gepräge zu verleihen, was sich zuerst in den neu erlassenen Gesetzen niederschlug. So wurde neben der Wiedereinführung der deutschen Amtssprache schon im Juli und August 1814 eine Forststrafordnung und eine Verordnung zur Verfolgung und Bestrafung des Forstfrevels erlassen.

Von besonderer Bedeutung für die Forstwirtschaft der Pfalz wird das sogenannte 'Grunersche Forstregulativ' vom Mai 1814 angesehen, das die Geschäftsbedingungen "sowie die Zuständigkeit des Behördenorganismus" für das gesamte Forstwesen regelte. Des weiteren wurden nach der Entlassung vieler, noch unter französischer Regierung berufener, Beamter, vermehrt fachkundige deutsche Forstleute eingestellt, deren Qualifikationen ab September 1814 von einer besonderen Prüfungs­kommission festgestellt wurden. Allerdings bestanden auch nach dem Abzug der Franzosen noch viele der französischen Verwaltungsordnungen weiter, und auch die Forstordnungen stützten sich im wesentlichen auf die früheren französischen Regelungen.

Von größtem Einfluß auf die Entwicklung des Waldbaus in den pfälzischen Wäldern war die Beseitigung des Coupensystems, des Verkaufs des Holzes auf dem Stock zur Fällung durch den Käufer. Die neue Regierung übernahm jetzt die Veräußerung des Holzes in eigener Regie. Diese Änderung hatte zur Folge, daß von diesem Zeitpunkt an nicht mehr den besonderen Wünschen der Holzkäufer nachgekommen wurde, sondern in erster Linie "die Forderungen des Waldbaus bei der Hiebsauszeichnung und Fällung" berücksichtigt wurden.

Trotz der nur zwei Jahre währenden Amtszeit gelang es der Übergangsregierung, die Voraussetzungen für eine geordnete Forstwirtschaft zu ebnen, auf der die nachfolgende bayerische Regierung aufbauen konnte.

Mit dem Amtsantritt der neuen bayerischen Regierung am l. Mai 1816 begann auch für das Forstwesen der Pfalz eine neue Epoche.

Im Jahre 1818 wurde zunächst die 'General-Forstadministration' aufgelöst und "den Finanzkammem der Kreisregierungen die unmittelbare Direction des Aerial-Forst-und Jagdwesens [...] sowohl in rechnerischer als rein sachlicher Beziehung übertragen. "

Die in der französischen Zeit begonnenen Vermessungsarbeiten wurden ausgesetzt und erst 1819 weitergeführt. Es mußte daher ein Verfahren gefunden werden, mit dessen Hilfe die Betriebsregelung auch ohne vorherige Vermessung der Waldungen durchgeführt werden konnte. Dieses Problem wurde durch das Forstregulativ von 1819 vorerst gelöst.  Für jeden "nach waldbaulichen und forsteinrichtungstechnischen Erwägungen" festgelegten Wirtschaftskomplex sollte ein periodischer Wirtschaftsplan für einen bestimmten Zeitraum festgelegt werden. Dieses Normativ wurde 1830 durch eine 'Instruction für Forstwirthschaftseinrichtung' ergänzt und erweitert. In dem ebenfalls 1830 eingerichteten Forsteinrichtungsbureau wurden zudem der Stand der Betriebsregulierung in jedem Waldkomplex erfaßt und die 'jährlichen Arbeitsaufträge' der einzelnen Komplexe geregelt. Ab 1849 konnte zusätzlich über 'periodische Waldstandsvisitationen', die über die Waldzustände informieren sollten, verfügt werden.

Mit dieser Betriebsregulierung erreichte man eine Verbesserung der Forstverwaltung in ganz Bayern, was insbesondere durch die Einführung einer neuen Forstorganisation bewirkt wurde. Die innere Struktur der Forstverwaltung wurde bis auf kleinere Änderungen bis zum Jahr 1852 beibehalten. Dann erfolgte eine vollständige Reorganisation des Forstwesens.

4.3.2.1 Waldbau

Ausschlaggebend für die Grundlage des Waldbaus in der bayerischen Pfalz war zunächst das Wirtschaftsziel. Hoffmann gibt für die ersten zehn Jahre der bayerischen Regierung des Rheinkreises dieses mit der Erziehung von ausreichend Nutz- und Brennholz an, wobei er auf die zunehmende Berücksichtigung der Standortansprüche der einzelnen Baumarten hinweist. In zwei besonderen Fällen richtete sich die Standortwahl für bestimmte Holzarten sogar nach den Bedürfnissen einzelner Gewerbe. So versuchte man, durch eine Vergrößerung der Eichenanbauflächen in der Nähe des Haardtrandes, den steigenden Bedarf an schwä­cherem Eichennutzholz in den Weinbaugegenden zu decken. Im anderen Fall sollte durch die Kultivierung eines Kiefem-Birken-Bestandes der gesteigerten Nachfrage der Schmelzöfen in der Südpfalz nach jungem Kohlholz Rechnung getragen werden.

Auch wenn diese beiden Beispiele Extremfälle des waldbaulichen Bestrebens darstellen, so zeigen sie jedoch eine Ausrichtung des gesamten Produktionsziels auf die Erziehung von Nutz- und Brennholz.

Die seit der Mitte der 40er Jahre des 19. Jahrhunderts publizierten, ersten 'Hauptwirthschaftsregeln' unterstreichen eindeutig diese Tendenz . So fordert die 1845 erschienene 'Hauptwirthschafts- und Kultur-Regel' "möglichst viel Brenn-, wie auch möglichst viel Bau-, Nutz- und Werk­holz in den gesuchtesten und wertvollsten Sortimenten zu erziehen, insbesondere aber wegen des großen Bedarfs an Wingerts- und Faßholz, der Erziehung von Eichen-Nutzhölzern eine besondere Sorgfalt zuzuwenden"

Die Grundsätze der damaligen Forstwirtschaftslehre waren hierfür maßgebend, jedoch beinhaltete dies nicht gleichzeitig eine Dogmatisierung des Waldbaus. Vielmehr wurde auf die jeweilige spezifische Situation des Waldzustandes eingegangen und danach verfahren, "was insbesondere für den Pfälzerwald erheblich ist und wegen seiner eigenthümlichen Verhältnisse sich zur Anwendung empfiehlt:'

Im Gegensatz zum französischen Waldbau war man nun nicht mehr allein auf die Nutzung und Verjüngung der Bestände aus, sondern man orientierte sich an Idealwaldbeständen, die durch die Bewirtschaftung und waldbaulichen Maßnahmen erreicht werden sollten. Das Ziel, "den Waldbestand zu vervollkommnen [und] auf diese Weise die Folgen früherer [...] nachtheiliger Einwirkungen auszugleichen, und in jeder Beziehung mit gutem Beispiel voranzuleuchten", läßt die Gestaltung des Waldes nach den Vorstellungen des Menschen offenkundig werden. Insbesondere sollten nämlich die "künftige Gestaltung der Bestände in Betracht gezogen, und ins Klare gezogen werden, wohin die Forstwirtschaft bei dem Waldabtrieb und der Waldverjüngung, bei der Erziehung von jungen Waldungen überhaupt und vorzugsweise zu streben habe, wie die künftigen Waldbestandsformen heran zu bilden seyen."Eine möglichst ökonomische Vorgehensweise, die eine Zurückführung der "Zuwachs fähigen Bestandteile" in den Nutzungsgang bei gleichzeitiger Nutzung der "urwüchsigeren [schlechter gewachsenen] und vollkommen haubaren Teile"vorsah, war hierbei der grundlegende Gesichtspunkt der Bewirtschaftung.

Wie sollten diese angestrebten, idealen Waldbilder für den Pfälzerwald nun aussehen?

Zunächst ist hier die überraschende Tatsache festzuhalten, daß "die künftige Form der Waldbestände [...] demnach in der Hauptsache [...] den Charakter der Mischung zu erhalten" hatte.  Generell sollten die noch vorhandenen Laubholzwaldungen "aus natio­nalökonomischen Motiven" erhalten und möglichst vermehrt werden. Die Verjüngung der Kiefer, der durch ihre Schnellwüchsigkeit und die Holzpreisentwicklung seit der Zeit des Empire eine besondere Rolle zukam, sollte hauptsächlich auf die devastierten Bereiche beschränkt bleiben. Außerdem war eine horstweise Untermischung in Laubholzbestände vorgesehen.

Unter Berücksichtigung der jeweiligen Standortverhältnisse bedeutete dies eine, sowohl durch natürliche Verjüngung als auch durch Pflanzung hervorgerufene, "Bestockung von Buchen und Eichen", wobei insbesondere die Eichennachzucht begünstigt werden sollte.  In den überwiegend aus Nadelholz bestehenden Beständen sollte zur Verbesserung der Bodenqualität eine Laubholzeinmischung erfolgen, sofern die Bodenverhältnisse dies überhaupt zuließen. Sowohl die engen und tiefen Waldtäler, "woselbst die Laubhölzer der Frostbeschädigungen wegen im Wüchse zurückbleiben" als auch die "höhergelegenen Localitäten worin das Laubholz zur Zeit den Bestand zwar bildet, daselbe jedoch einen schlechten Wuchs äußert", sollten durch den verstärk­ten Anbau der Fichte aufgeforstet werden, wobei im Falle einer schlechten Bodenqualität in den Höhenlagen ebenfalls die Anpflanzung von Kiefernkulturen vorgeschlagen wurde.

Dabei war die natürliche 'Beimischung von Weichhölzem' wie Birken und Eschen durchaus erwünscht, da ein "höchst ersprießliches Mischungsverhältnis entsteht, das "bei richtiger Behandlung, die Wachstums-Entwicklung des Hauptbestandes nicht weniger als benachtheiligen, vielmehr dieselbe unterstützen und erkräftigen [soll]."

Insgesamt ist für den ab 1830 geregelten Waldbau in der Pfalz eine zunehmende Intensivierung der Bewirtschaftung festzustellen. Ein besonderes Augenmerk wurde auf die Verjüngung der Bestände gelegt, mit deren Hilfe ein Waldaufbau erfolgen sollte, der den neuen Zielvorgaben entsprach.

Das Ausmaß und die Anstrengungen dieser waldbaulichen Tätigkeiten in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts verweisen auf einen noch immer relativ hohen Abhängigkeitsgrad der Gesellschaft vom Wald. Der für die damalige Forstverwaltung unbefriedigende Zustand der Wälder bedurfte daher zur nachhaltigen Deckung des Bedarfes an der Ressource Holz eines kontinuierlichen Waldaufbaus, der nach ökonomischen Gesichtspunkten zur erfolgen hatte.

 

 

 

 

 

 

 

 


Impressum